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Nach angenehm ruhiger Nacht erwachen wir unter einem strahlend blauen Himmel. Das Buffet bietet viel Auswahl und wir können unser Frühstück trotz der Morgenfrische im windgeschützten Innenhof unter freiem Himmel zu uns nehmen. So beginnt ein guter Urlaubstag.

Was muss bei einem Aufenthalt in Athén der erste Programmpunkt sein? Natürlich, die Akropolis! Dieses weltbekannte Symbol für Griechenland und darüber hinaus für die gesamte antike Welt kenne ich zwar von Besuchen in früheren Jahren, aber dabei war es jedes Mal entweder gnadenlos heiß oder unerträglich schwül und dunstig. Heute dagegen sind die Bedingungen perfekt.

Heut betrete ich, ich glaube zum viertenmal, die Akropolis. Es ist länger als fünfundzwanzig Jahre her, daß mein Geist auf dem Götterfelsen heimisch wurde.
(Gerhart Hauptmann)

Mächtig erhebt sich das steile Kalksteinplateau bis zu 150 Meter über die städtische Ebene. Wenn man das Areal wie wir vom Südeingang her betritt, führt der Weg zunächst zum Dionýsos-Theater, welches zu seiner besten Zeit ca. 17.000 Zuschauern Platz bot. Die nicht weiter zugeordneten Steine und Fundamente am Wegrand sind von Blüten bunt betupft, das macht einen Besuch antiker Stätten im Frühling immer besonders schön. Neben lilafarbigen Winden sind es leuchtend gelber Schweinssalat, blutroter Klatschmohn und violetter Haferwurzel, die unsere Augen erfreuen.

Noch vor dem Eingangsportal gelangt man zum Odéon des Heródes Atticús, ein zweites großes Theater, das wegen seines guten Zustands bis heute für Aufführungen genutzt wird. Bereits von dieser Höhe haben wir eine schöne Aussicht und können hinter dem Philopápposhügel das Meer sehen. Danach geht es steil bergauf, bis wir schließlich vor der breiten Treppe am Fuße der Propyläen stehen. Hier treffen wir auf den vom Haupteingang kommenden Besucherstrom, der das bisherige Gefühl vorsaisonaler Ruhe endgültig beendet.

Die Propyläen sind mehr als ein einfacher Eingang, sie sind für sich alleine schon ein beeindruckender Tempel. Hat man sie durchquert, öffnet sich zur Rechten ein freier Bereich, von dessen einstiger Bebauung so gut wie nichts erhalten ist. Von hier aus hat man nach Süden einen phantastischen Panoramablick. Die Stadt liegt einem zu Füßen und in der Ferne glitzert das Meer. Über dem Hafen von Piräus schwebt eine gelbliche Dunstglocke. Dieselmotoren, so wird uns bewusst, sind in der Schifffahrt nach wie vor die dominierende Antriebskraft. Das Wetter ist so schön, dass man die 30 Kilometer entferne Insel Égina erkennen und in doppelter Distanz die Gebirgszüge der Pelopónnes erahnen kann.

Es ist ein unsäglich entzückender Zustand, zwischen den schwankenden Gräsern auf irgendeinem Stück Marmor zu sitzen, die Augen schweifen zu lassen, über die blendend helle attische Landschaft hin.
(Gerhart Hauptmann)

Unser Rundgang führt entgegen dem Uhrzeigersinn über das vollkommen schattenfreie Plateau, welches vom Parthenón, dem vermutlich bekanntesten Tempel der Welt dominiert wird. Er hat es sogar zum Symbol der UNESCO gebracht. Nach einer langen Phase der Restaurierung zeigt sich das Bauwerk inzwischen fast frei von Gerüsten. Umso mehr vermisst man nun das Fries, welches sich bis auf wenige Reste im Britischen Museum in London befindet. Seit 200 Jahren währt der Streit um die Marmorskulpturen, Athén will sie zurück, London gibt sie nicht her.

Weiter östlich füllen herrenlose Säulenfragmente die Lücke bis zum Belvedere, dem Aussichtspunkt am Osthang des Burgberges. Auch von hier ist der Blick über den städtischen Moloch faszinierend. Im Nordosten erhebt sich der steile Lykavittós, und auch der frühere Königspalast, das heutige Parlamentsgebäude, ist leicht aufzufinden. Rechts davon liegt das Olympiastadion von 1896 sowie das Olypieiíon, das Heiligtum des Olympischen Zeus. Der einstmals größte Tempel der griechischen Welt ist zurzeit jedoch vollständig unter Gerüsten verborgen.

Nach dem Rundblick konzentrieren wir uns wieder auf die Akropolis. Nördlich des Parthenóns befindet sich das Érechthéion, ein über viele Jahre gewachsener Mehrzweckbau, in dem mehr als einem Dutzend Göttern gehuldigt wurde. Berühmt ist vor allem der südliche Anbau, die Korenhalle, dessen Dach von sechs marmornen Frauenfiguren, den Koren, getragen wird. Betreten wurde der Tempel durch die Nördliche Vorhalle, hinter der seit der Antike ein Olivenbaum kultiviert wird.

Der Legende nach veranstaltete Zeus einen Wettbewerb zwischen Athena und Poseidon um den Besitz der Stadt. Poseidon stieß seinen Dreizack in den Felsen der Akropolis und eine Quelle mit Salzwasser sprang heraus. Athena hingegen ließ einen Olivenbaum wachsen. Die Bürger entschieden sich für Athenas Geschenk und seitdem trägt die Stadt ihren Namen. Die Frucht des Olivenbaums wurde zentraler Bestandteil des griechischen Lebens und ist als wertvolles Nahrungsmitteln und Exportartikel bis heute von überragender Bedeutung.

Von Westen lässt sich das Érechthéion in seiner Gesamtheit am schönsten erkennen. Wir unternehmen einen zweiten Rundgang über die Anlage, dann erreicht der Besucherstrom trotz Vorsaison ein Ausmaß, das uns den Abschied von diesem imposanten Tempelkomplex nahelegt. Beim Verlassen des Areals bietet sich die beste Gelegenheit meinen persönlichen Favoriten, den kleinen aber feinen Nike-Tempel, in ganzer Schönheit zu bewundern.

Es gibt drei Hügel, von denen das Abendland seinen Ausgang genommen hat: Golgatha, die Akropolis in Athen, das Capitol in Rom. Aus allen ist das Abendland geistig gewirkt, und man darf alle drei, man muss sie als Einheit sehen.
(Theodor Heuss)

Mit der ausgiebigen Besichtigung der Akropolis nähert sich der Vormittag bereits seinem Ende. Der Abstieg vom Burgberg führt uns geradewegs zum Monastiráki-Platz, dem Stadtzentrum während der türkischen Besatzungszeit. Auf dem dreieckigen Platz zwischen Tzisdarákis-Moschee, Maria-Pantanássis-Kirche und der Metrostation von 1895 pulsiert das pralle Leben. In einer der umgebenden Tavernen legen wir eine Mittagspause mit orientalischem Hummus und europäischem Bier ein.

Die Fußgängerzonen im Monastiráki-Viertel sind äußerst beliebte Einkaufsstraßen. Das benachbarte Psirrí ist tagsüber etwas ruhiger und hat sich als hippes Ausgehviertel einen Namen gemacht. Die kreative Szene hat den Stadtteil in den letzten Jahren entdeckt, Street-Art und Graffiti finden sich an jeder Ecke. Hingucker wie das bonbonbunte "Alice in Kookland" oder "Little Kook" wechseln sich mit hochwertiger Fassadenkunst ab. Selbst die oft langweilig grauen oder verschmierten Verteilerschränke werden nicht verschont. Nach geraumer Zeit gelangen wir zum Monastiráki-Platz zurück und entscheiden uns angesichts der sommerlichen 28°C für eine weitere Pause. Ein Kafé frappé am Agías-Irínis-Platz ist das Beste, was uns jetzt passieren kann.

Der Rückweg zum Hotel führt uns an der uralten Kapnikaréa-Kirche und später am Parlament vorbei. Vor dem Letzteren befindet sich auf der Seite zum Syntágma-Platz das Grabmal des unbekannten Soldaten, an dem zu jeder vollen Stunde die Wachablösung zelebriert wird. Das ist ein Schauspiel, das man sich bei keinem Athénbesuch entgehen lassen sollte. Die Evzonen, die Soldaten der Ehrengarde, tragen zu dieser Jahreszeit dunkelblaue Uniformjacken, erst ab Mai werden diese durch beigefarbene ersetzt. Ich ergattere einen Platz in der ersten Reihe und kann die pedantisch festgelegte Schrittfolge perfekt miterleben.

Für das Abendessen hatten wir bereits am Nachmittag das "Thanásis" im Monastiráki-Viertel ausgemacht. Die Taverne platziert ihre Tische auf eine Verbreiterung der Mitropóleos-Straße, sodass wir etwas abseits der vorbeiströmenden Menschenmassen sitzen, gleichzeitig diese jedoch wunderbar beobachten können. Das Speiseangebot zielt auf die breite Masse ab und so wählen wir Souvlákia und Kebab-Röllchen (eigentlich Adana Kebab), dazu Tsatsíki, Roséwein sowie Malamatina-Retsína. Das Essen erweist sich als schmackhaft, die Portionsgröße ist für ausgehungerte Touristen bemessen und auf Live-Musik müssen wir ebenfalls nicht verzichten, da die Bouzoúki-Klänge aus der benachbarten Taverne bis zu uns herüberklingen. Was würde das moderne griechische Tourismuswesen bloß ohne die Melodien von Theodorákis machen? Mit knapp 30 € zahlen wir heute nur gut ein Drittel des gestrigen Preises, ohne den Eindruck, schlechter gespeist zu haben.

Der herrliche Sommerabend verlangt einen würdigen Abschluss. Wir genießen kurz die lebendige Abendstimmung auf dem Monastiráki-Platz, spazieren dann ins nahe Psirrí-Viertel und lassen dort den ausgefüllten Tag mit einem Cocktail ausklingen.

Akropolis:


Monastiráki:


Psirrí:


Monastiráki:


Wachablösung der Evzonen:


Monastiráki: