Nach einer ruhigen Nacht wachen wir gut ausgeschlafen auf. Wir verzichten auf die Instant-Brühe des Hotels und setzen uns stattdessen ins nächstgelegene Eckcafé, um mit Blick auf die Römische Agorá bei einem doppelten Americano das Programm des Tages zu besprechen.
Unser erstes Ziel bedarf keiner langen Diskussion: Wir sind beide große Fans einer lebendigen Marktszene, da ist das Viertel um die Vláli-Straße mit der Modiáno-Markthalle genau das Richtige. Auch wenn die Bilder sich von Mal zu Mal ähneln - ich kann nicht umhin, meine Leidenschaft für solch fundamentale Handelsplätze durch zahlreiche Fotos auszudrücken. Ob Süßwaren, Dörrobst oder Nüsse, ob Hülsenfrüchte oder Oliven, ob Obst oder Gemüse - es gibt für alles eine große und farbenfrohe Auswahl.
Eine besondere Faszination empfinde ich jedes Mal bei den Metzgern und Fischhändlern, vielleicht, weil man viele der angebotenen Waren in Deutschland nicht so häufig sieht. Neben den allgegenwärtigen Fleisch- und Wurstprodukten finden sich auch Außenseiter im Angebot: Kutteln, Schweinefüße und Schafsköpfe müssen sich hier nicht verstecken. Die Qualität ist transparent, das Zerteilen der Fleischstücke wird öffentlich zelebriert. Bei allen Warengruppen wird dabei viel Sorgfalt für eine appetitliche Präsentation gezeigt, das gilt auch bei Fischen und Schalentieren. Wir schlendern lange kreuz und quer durch die Stände.
Hier fühle ich mich sofort wohl, denn nirgendwo sonst kann man das Herz eines fremden Landes so gut schlagen hören.
(Michael Wörn)
Anschließend wenden wir uns schnurstracks der Promenade Níkis zu und spazieren diese entlang. Hier gibt es ein enormes Angebot an Restaurants, Cafés und Bars jeder Couleur, von der schlichten Fastfood-Bude bis zur durchgestylten Baristeria. Wir folgen der Promenade bis zum Weißen Turm, dem Wahrzeichen der Stadt.
Weiter geht es durch die Dimítrios-Goúnaris-Straße, eine der weniger Fußgängerzonen der Stadt, die sich zum Shopping und dem Kauf untypischer Souvenirs anbietet. Sie führt geradewegs auf die Rotónda zu, unserem nächsten Ziel. Vor der Besichtigung benötigen wir eine Pause mit Kafé frappé, Orangensaft und kleinem Gebäck.
Die Rotónda ist ein geschichtsträchtiges Bauwerk. Nach meinem Besuch in Rom vor einem Jahr fällt mir zum ersten Mal auf, wie viele Gemeinsamkeiten mit dem dortigen Pantheon sie hat.
Die Rotónda wurde im Jahr 306 n. Chr., vermutlich als Mausoleum für Kaiser Galerius erbaut. Die fast 30 Meter im Durchmesser große Kuppel war zu der Zeit die größte Ziegelkuppel der Welt. Seit der Christianisierung in Jahr 326 wird das Gebäude als Kirche oder Moschee genutzt und kann somit als ältestes Gotteshaus der Welt gelten. Obgleich es inzwischen als Museum dient, befindet sich in der Apsis ein geweihter Altar, sodass sie gelegentlich für Gottesdienste verwendet werden kann.
Von der einst prächtigen Innenausstattung sind nach vielen Jahrhunderten mit Erdbeben und Bränden nur spärliche Reste geblieben. In der Apsis wurden die Fresken behutsam restauriert, an anderen Stellen sind uralte Goldgrund-Mosaike erhalten. Nebenan wurde zur Zeit der osmanischen Besatzung ein freistehendes Minarett errichtet, das heute das einzig verbliebene in Thessaloníki ist. Der Eingangsbereich ist - wie das gesamte Bauwerk - zwar deutlich weniger imposant als der des großen römischen Bruders, in seinem rechteckigen Grundaufbau mit der doppelten Säulenreihe im Prinzip aber vergleichbar.
Das langsame Bummeln und die Besichtigungen in der etwas schwülen Luft haben uns müde gemacht, weshalb wir beschließen, zunächst eine Pause im Hotel einzulegen, bevor wir mit der Stadttour fortfahren. Nach der Siesta ist die Luft wie ausgewechselt und die Sonne strahlt von einem blauen Himmel. Wir kaufen in einer der zahlreichen Zuckerbäckereien eine kohlehydratreiche Stärkung und suchen die nächstbeste Gelegenheit, die Leckereien zu verzehren.
Dabei landen wir im Garten von Ágios Panteleímonas. Durch Zufall fällt mein Auge am Eingangstor auf eine Bronzeplakette, welche die kleine Kirche als UNESCO Weltkulturerbe ausweist. Eine kurze Recherche klärt mich darüber auf, dass es alleine in Thessaloníki 15 Weltkulturstätten gibt. Bis morgen Abend werden wir ein Drittel davon besichtigt haben.
Wenn man hier spazieren geht, ist es, als ob man in einem Buch spazieren geht - einem Buch über viele
Epochen Europas.
(Grigoris Arnaoutoglou)
Der byzantinische Kreuzkuppelbau wirkt von innen wesentlich größer und vor allem höher, als er von außen erscheint. Wie fast alle Gotteshäuser der Stadt blickt auch dieses Kirchlein auf eine bewegte Geschichte mit christlicher und islamischer Vergangenheit zurück. Nach der Besichtigung dieses kleinen Juwels setzen wir uns mit unseren Kohlehydrat-Bömbchen auf eine Bank im Kirchgarten.
Manchmal reicht zum Glücklichsein eine Bank im Sonnenschein.
(Wolfgang Lörzer)
Wenige Fußminuten später erreichen wir die nächste Welterbestätte. Die äußerlich unscheinbare Agía Sophía punktet mit einem hervorragend erhaltenen Kuppelmosaik aus dem 9. Jahrhundert sowie einem prächtigen, goldgrundigen Marienmosaik in der Apsis. Mehr als die vielen wertvollen Ikonen oder silbernen Sarkophage beeindruckt mich hier erneut das enorme Raumgefühl in der ältesten Kreuzkuppelkirche der Welt.
Genug Kultur für einen Tag! Wir bummeln weiter entlang der Tsimiskí, der großzügigsten Einkaufsstraße in der City. Sie endet im Ladádika-Bezirk, einem ehemaligen Hafenquartier, das sich nach aufwändigen Restaurierungen zum beliebten Ausgehviertel entwickelt hat. Ich hatte im Vorfeld das Restaurant "Athivoli" auf meine Merkliste gesetzt, das hier ansässig ist und wirklich einladend wirkt. Da uns der Weg zurück ins Hotel und dann wieder hierher zuviel für heute ist, merken wir es uns für den kommenden Tag vor.
Stattdessen besuchen wir am Abend das "Aígli Gení Hamám". Nur zwei Straßenecken von unserem Hotel entfernt befindet sich der Restaurant-Cocktailbar-Nachtclub-Hybride in den renovierten Gemäuern des alten türkischen Badehauses Gení Hamám. Schon anhand der Speisekarte im Internet konnten wir erkennen, dass hier klassische griechische Gerichte auf moderne Art interpretiert werden, also genau das Richtige für uns. Wir bestellen Fáva (eine Art Hummus) mit Tomaten-Confi und frittierten Kapern, Zucchinibällchen mit Pistazien auf Galotírikäse, gegrillten Oktopus auf Kartoffel-Selleriesalat sowie Rindfleischbällchen (Keftédes) mit Schafskäsecreme und Bohnenmus.
Das Essen begeistert uns genauso wie das gesamte Ambiente. Das Restaurant befindet sich unter freiem Himmel im Hof des Hamáms, mit vielen Kerzen, bunten Lichtern und angestrahlten Bildern dekoriert. Es wird zwanglos gegessen, getrunken, diskutiert und Shisha geraucht. Am heutigen Abend ist es schon ungewöhnlich früh sehr voll. Auf einer kleinen Empore gibt es Vorträge und Lesungen, gelegentlich unterbrochen durch den a cappella-Gesang eines dreiköpfigen Chores. Es erinnert mich an antike Dramaturgie, ist aber letztendlich eine Hommage an Cóstas Bravákis, einen lokalen Musiker, Poeten und Filmemacher.
Erinnerungen sollte man sich schaffen, solange man dazu fähig ist.
(Hans-Joachim Oelke)
Einschließlich der Getränke, Rotwein und Kaiser-Pils vom Fass, bezahlen wir für das köstliche Essen nur 31 € und damit deutlich weniger, als es entsprechend der Speisekarte zu erwarten gewesen wäre. Erst später entdecke ich, dass bis Ende September eine Happy-hour-Aktion läuft, die auf alle Bestellungen vor 20 Uhr einen Rabatt von 30% gewährt.
Da wir uns hier ausgesprochen wohl fühlen und die Cocktailkarte einige interessante Drinks verspricht, bleiben wir noch länger an Ort und Stelle sitzen und beschließen den Tag mit zwei gut gemixten Cocktails.