Als ich 1982 zum erstenmal das Land der Götter besucht hatte, ahnte ich zwar schon, dass mich dieses Land nie wieder los lassen würde, aber es hat 20 Jahre gedauert, bis ich mir selber eingestanden habe, diesem Land hoffnunglos verfallen zu sein.

In den Jahren 1997 - 2002 bekam ich Reiseberichte meines Freundes Michael zu lesen, der seine China-Reisen für die Nachwelt schriftlich festzuhalten pflegte. Getrennt davon gab es Dia-Vorführungen, so dass die Reisen auch für Andere bildlich vorstellbar waren.

Dann kam das Jahr 2003 und ich besuchte Griechenland auf eine ganz neue Weise: Zum ersten Mal reiste ich alleine - zum ersten Mal lernte ich das Land im Frühling kennen. Weit entfernt von allem saisonalen Gedränge, dem atemlosen Suchen nach Schatten und verschwitztes Essen in überfüllten Tavernen; dafür ungestresste Einheimische, frische Luft, plätscherndes Wasser im Überfluss, schneebedeckte Berge, grüne Wälder, blühende Wiesen und viel Ruhe - ein Land wie im Bilderbuch, eine Orgie in grün, weiß und blau: Ich war wie hypnotisiert.

Wieder zuhause wuchs der Wunsch in mir, das Land, so wie ich es auf dieser Reise kennengelernt hatte, meiner Familie und meinen Freunden näher zu bringen. Ich erinnerte mich, wie gerne ich die China-Reiseberichte gelesen hatte, wollte aber auf die Präsentation der Bilder auf keinen Fall verzichten: Die Idee eines Reiseberichts im Stil eines Online-Tagebuchs war geboren.

Die positive Resonanz auf den 2003er-Bericht verstärkte meine Motivation, die Reise im folgenden Jahr analog aufzuarbeiten. Das Feedback auf den 2004er-Bericht übertraf noch das vom Vorjahr. Aus diesem Grund entschied ich mich, nicht nur die zukünftigen, sondern auch alle alten Reisen seit 1982 nachträglich für die Nachwelt aufzuarbeiten und in entsprechender Weise zu präsentieren.

Nicht zuletzt macht es mir selber jedes Jahr aufs Neue wahnsinnig viel Spaß!

Warum immer wieder Griechenland?

Wie oft ist mir diese Frage gestellt worden? Wie oft habe ich Unverständnis und Kopfschütteln geerntet, wenn ich von meiner Passion für dieses Land erzählte. Fakt ist: Es gibt keine einfache Antwort auf diese Frage. Ich weiß nur, dass ich in den fast vier Jahrzehnten, in denen ich dieses Land bereise, sehr viel Schönes gesehen und erlebt habe und vor allem eine sprichwörtliche Gastfreundschaft, die sich - aller Krise zum Trotz - auch in der jüngsten Vergangenheit nicht wirklich verändert hat.

Wer mir für die Antwort auf die obige Frage fünf Minuten Zeit gewährt, dem kann ich erzählen, dass ich in all den Jahren nicht nur die Ursprünge der europäischen Zivilisation mit eigenen Augen, Hand und Herz erfahren habe, sondern ich habe

  • die höchsten Bergpässe überquert und die tiefsten Höhlen erkundet
  • mit Griechen jeden Alters über Gott und die Welt diskutiert
  • jungen Griechen die Naturwunder ihrer Heimat erklärt
  • den Trubel einer orthodoxen Doppeltaufe erlebt
  • ein Dorffest mit Grill, Wein, Musik und Tanz mitgefeiert
  • Temperaturen von 8 bis 42°C ertragen
  • an einigen der schönsten Strände der Welt gebadet
  • innerhalb einer Stunde von der Schneeballschlacht zum Strandaufenthalt gewechselt
  • bei reichlich Tsípouro einen Weinbergbesitzer von der Plünderung seiner Reben durch Bären gelauscht
  • vielfach griechische Gastfreundschaft erfahren und bin zu allen möglichen Getränken, Speisen, Süßwaren und Würsten eingeladen worden
  • die tiefsten Schluchten der Welt gesehen
  • im Angesicht schneebedeckter Berge im Meer gebadet
  • die unvergleichliche Stimmung einer orthodoxen Osternacht erlebt
  • über Schienenwege durch atemberaubende Schluchten gewandert
  • die größten Brücken der Welt zu Fuß überquert
  • Orte erlebt, in denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint
  • Klöster besichtigt, die die europäische Geschichte geprägt haben
  • den längsten ununterbrochenen Einsatzort von UN-Friedenstruppen durchquert
  • unter Wasserfällen geduscht und in Naturbadewannen gebadet
  • Städte erlebt, in denen die drei abrahamitischen Religionen auf engsten Raum friedlich koexistierten
  • Dudelsackmusik gehört, die Hunde jaulen ließ
  • Burganlagen besichtigt, deren Umfang nicht in Metern, sondern in Kilometern angegeben wird
  • innerhalb von fünf Minuten die Wandlungen von fünf Jahrtausenden erlebt
  • religiöse Prozessionen mit Maschinengewehrbegleitung mitgemacht
  • meinen Durst an wilden Flüssen gestillt

aber vor allem habe ich mich nicht einen einzigen Tag gelangweilt!

Alleine reisen - die Freiheit im Urlaub

(aus: Soziologie heute - News vom Donnerstag, 27. März 2008)

Liebe Leserin, lieber Leser,

alleine zu verreisen - das kann für jeden ein besonderes Erlebnis werden. Wer nicht zwingend auf Partnersuche ist und keine Scheu vor Individualreisen hat, kann dabei nämlich richtig etwas über sich selbst erfahren:

1. Nicht allein, sondern mit sich selbst sein.

Jeden Tag prasseln tausende von Anforderungen auf jeden von uns ein: Der Chef will sofort ein Ergebnis bei Projekt ABC sehen, die Freunde wollen mal wieder einen draufmachen, die Tante in der Fernsehwerbung will, dass wir ab jetzt nur noch mit XY staubwischen und die Familie will am Wochenende zum Schwimmen fahren. Aber was wollen Sie? Woher sollen Sie das wissen, bei all den Stimmen, die ständig um Sie herum tönen?

Der Urlaub ist eine ideale Möglichkeit, mal wieder auf seine eigene Stimme zu hören. Für Soziologen ist erwiesen: Alleinreisen ermöglicht die (Wieder-)Entdeckung der eigenen Potenziale. Wer in sich geht, kann anschließend mit neuen Erkenntnissen wieder aus sich heraus gehen, die für ihn und für seine Umwelt von Vorteil sind. In der heutigen Gesellschaft ist diese Fähigkeit - laut Experten - überlebensnotwenig.

2. Ich muss nicht, ich will!

Wer alleine reist, verfügt über die absolute Entscheidungshoheit. Das beginnt schon bei der Auswahl des Reiseziels. Vor Ort hat der Alleinreisende das alleinige Sagen: Was mache ich heute, was mache ich morgen, wo geht es hin? Er muss keine Kompromisse eingehen und kann seine Unabhängigkeit voll auskosten.

Statistiken zeigen, dass Alleinreisende wesentlich offener sind, was den Kontakt mit anderen Reisenden und mit Einheimischen betrifft. Und zwar deshalb, weil ihnen klar ist, dass sie die Wahl haben: Sie können, aber sie müssen sich nicht mit Irgendjemanden unterhalten. Dieses Wissen um die Wahlfreiheit bezüglich der sozialen Kontakte im Urlaub erleichtert dem Alleinreisenden den Kontakt im Vergleich zu Reisenden in Begleitung.

Wer also seine Freiheit liebt und sie leben will, der reist alleine.

 

Ein weiterer empfehlenswerter Artikel zum Thema, der in der Zeitung "Die Welt" erschienen ist, findet sich unter Reise zum Mittelpunkt des ICHS.