Wenn man die Pelopónnes als Hand betrachtet, befindet sich unser nächster Standort in der Mitte des Zeigefingers. Für die Weiterreise nach Monemvasía gibt es zwei Möglichkeiten. Die Fahrt via Autobahn über die zentrale Pelopónnes ist zwar deutlich schneller, aber die Alternative über Landstraßen entlang der Küste und später übers Gebirge verspricht eine abwechslungsreichere Route.
Der beste Weg im Leben ist nicht immer der schnellste.
(Outi Mäenpää in "Zugvögel - Einmal nach Inari")
Wir verlassen die Stadt nach Norden, umrunden zunächst die Bucht von Náfplion und folgen für über eine Stunde der kurvigen, aber gemütlich zu fahrenden Küstenstraße entlang den Ufern des Argolischen Golfs. Einige Kilometer hinter Týros wenden wir uns nach Westen, hinein ins Párnon-Gebirge. Nach insgesamt zwei Stunden Fahrt taucht hinter einer Kurve hoch über uns das Kloster Elóna auf. Die Beschreibung, es klebe wie ein Schwalbennest an der senkrechten Felsenklippe, ist in keiner Weise übertrieben.
Nach dem ersten Anblick braucht es einige serpentinenreiche Höhenmeter, bis eine steile Stichstraße zum Kloster abzweigt. Vom Parkplatz aus schweift der Blick über eine karge, einsame Bergwelt. Die letzten Meter führen am steilen Abgrund entlang und nach einer scharfen Kehre nach rechts blicken wir unvermittelt ins Kloster hinein. Ein alter Mönch begrüßt jeden Ankommenden herzlich und bietet nach angestammter Weise kaltes Trinkwasser und frisch bereitetes Loukoúmi an. Köstlich! Wir greifen gerne ein zweites Mal zu.
Das überraschend große Kloster wurde um 1300 nach dem Fund einer Ikone gegründet, deren Heilkräfte jeden modernen Mediziner vor Neid erblassen ließen. Das wertvolle Stück wurde im Jahr 2006 gestohlen, konnte jedoch nach einer großen, medial unterstützten Empörungswelle nach einigen Wochen wiederbeschafft und der Dieb verhaftet werden. Die heute in der traditionell ausgeschmückten Kirche gezeigte Ikone ist eine Kopie, das Original wird nur zu Mariä Himmelfahrt für eine Woche präsentiert. Fernab jeder Legende ist die Lage des Klosters in der abgeschiedenen Bergwelt spektakulär.
Wenige Kilometer, aber viele Kurven später erreichen wir auf 1150 Meter Höhe den Ort Kosmás. Wir hoffen, eine Möglichkeit zu finden, ein kleines Mittagessen zu bekommen. Unsere Skepsis ist völlig unbegründet. Der Ort ist ein kleines Juwel, das ich in dieser Art in keiner Weise erwartet hatte. Das Bergdorf liegt inmitten grünen Mischwalds. An den Hängen wachsen Kastanien, Walnüsse und Kirschen. Der zentrale Ortsplatz schmiegt sich bogenförmig um die Kirche und wird von sechs großen Platanen mit Schatten versorgt. Hier laden die Tische mehrerer Tavernen den Hungernden zum Verweilen ein. Schöner kann ein Dorfplatz nicht sein - ich fühle mich in den Pílion versetzt.
Statt wie sonst auf der eher wasserarmen Pelopónnes üblich, bekommen wir keine abgefüllte Flasche, sondern eine Liter-Karaffe mit Quellwasser. Die Menükarte bietet Gerichte der klassischen griechischen Volksküche, die man anderswo selten findet. Wir wissen kaum, wofür wir uns entscheiden sollen.
Es gibt Situationen, in denen nicht die eine oder die andere Möglichkeit, sondern die Entscheidung
selbst der Fehler wäre.
(Juli Zeh)
Wir wählen eine deftige Weiße Bohnensuppe und geschmortes Schweinefleisch in Zitronensoße. Das Essen ist vorzüglich und ein Mýthos-Bier dazu schmeckt in der frischen Bergluft umso besser. Und von diesem Preisniveau konnte man in Náfplion nur träumen. Wir fühlen uns hier pudelwohl und wollen kaum noch weiter. Friedliches Arkadien!
"Friedliches Arkadien", der schon von Goethe als Hort des Glücks und der Harmonie romantisch verklärte Landstrich, ist nur ein Beispiel, wie die Regionen der Pelopónnes in die deutsche Sprache eingegangen sind. "Lakonisch", "spartanisch", sind weitere Beispiele. Aber wer weiß das schon?
Irgendwann müssen wir aufbrechen, wir haben weitere anderthalb Stunden Fahrt bis zu unserem Ziel vor uns.
Monemvasía hat keine Straßen. Der mittelalterliche Ort ist vollständig von einer hohen Stadtmauer umgeben und hat ausschließlich schmale Gassen und viele Treppchen. Der Wagen muss vor der Stadtmauer stehen bleiben. Wir lassen das Gepäck also zunächst im Auto und machen uns auf die Suche nach unserem Hotel. Gar nicht so einfach ohne Straßennamen oder Hausnummern! Nach einigem Suchen und Durchfragen finden wir die Rezeption in einem winzigen Gewölbe an der Hauptgasse. Hier kann man einchecken und wird von dort zu seinem Zimmer geführt. Diese liegen an verschiedenen Standorten im Häuserlabyrinth verstreut.
Unsere Unterkunft befindet sich im Steláki-Haus. "Zimmer" wäre nicht die richtige Bezeichnung. Es handelt sich um ein freistehendes Häuschen. Im Hochparterre ist das Wohnzimmer mit Kamin und Kitchenette. Über zwei Stufen gelangt man durch ein großes Fenster auf die Terrasse. Eine schmale Treppe führt in den oberen Raum, wo sich Bett und Waschtisch befinden. Dusche und Toilette gibt es zwei weitere Stufen höher unter dem Dach. Das Ganze ist absolut nicht barrierefrei, aber ungeheuer gemütlich - ganz so, wie man es bei einem "Traditional Hotel" erwarten darf. Unser Gepäck herbeizuholen ist eine sportliche Herausforderung. Die groben mittelalterlichen Pflaster mit vielen Stufen bringen jedes noch so gute Trolley-Fahrgestell an seine Grenzen. Danach sind wir reif für eine Dusche.
Für das Abendessen beehren wir ein Restaurant, das eine große Terrasse mit Meerblick aufweisen kann. Als Vorspeise wählen wir Fáva (gelbes Erbsenpüree), gefolgt von gegrilltem Kotelett und ofengeschmorten Lammrippchen. Zwei kühle Biere dürfen dazu nicht fehlen.
Der Tag war mit dem atemberaubenden Kloster, dem pittoresken Dorfplatz und der überaus charmanten Unterkunft viel mehr als ein reiner Fahrtag und hat einen ordentlichen Ausklang verdient. Wir zelebrieren diesen in einer nahen Bar mit Aperol Spritz und einem Tsípouro.