Nur fünf Fußminuten trennen mein Hotel vom Seajets-Gate im Fährhafen. Auf dem Weg erstehe ich eine Spanakópita für ein späteres Frühstück an Bord. Der Hafen von Piräus beeindruckt mich immer wieder. Alleine in der ersten Hafenbucht zähle ich mindestens 20 Fähren und Kreuzfahrtschiffe, weitere sind in der benachbarten Bucht zu erkennen. Die große Katamaranfähre legt überpünktlich ab.
Die Bestuhlung im Innenraum erinnert an einen Billigflieger: Kniefreiheit gibt es nur gegen Aufpreis. Aber ich habe nicht vor, hier viel Zeit zu verbringen, sondern gehe sofort auf Deck. Zunächst kann man ganz entspannt an der Reling stehen und den Blick zurück genießen. Bald jedoch gibt der Kapitän richtig Gas und 88.000 PS beschleunigen die große Fähre auf fast 70 km/h. Nur im Windschatten der Aufbauten ist der Verbleib im Freien während der gesamten Überfahrt weiterhin angenehm.
In der Ägäis gibt es insgesamt etwa 3.000 Inseln, von denen knapp 200 bewohnt sind. Doch auch die unbewohnten erfahren neuerdings eine Nutzung, wie beispielsweise der Windpark Ágios Geórgios auf dem gleichnamigen Eiland. An den bewohnten Inseln Sérifos und Sífnos wird ein kurzer Zwischenstopp gemacht. Auf Letzterer fahren wir in eine schmale, von steilen Bergen umschlossene Bucht, an deren Ende sich der Hafenort Kamáres befindet.
Eine gute halbe Stunde später nähern wir uns Mílos. Eine charakterístische Landmarke bildet der steile Hügel von Pláka. Bei seinem Anblick weiß ich sofort, dass er das Ziel meiner ersten Wanderung morgen sein wird. Wir passieren Trypití und erreichen um 12:40 Uhr Adámas, den Hafen der Insel und Endstation meiner Reise. Da mein Zimmer erst ab 14 Uhr bezugsbereit ist, suche ich zunächst die erstbeste Taverne am Hafen auf und bestelle Spetzofái und ein Mámos-Bier. Der Bratwurst-Paprika-Eintopf ist gut gemacht, aber nicht günstig. Wie ich schnell feststelle, ist das Preisniveau auf der Insel insgesamt etwas gehobener.
Fünf Minuten zu Fuß benötige ich anschließend zum Hotel. Das Zimmer mit Balkon und geräumigem Bad gefällt mir. Das gesamte Hotel ist sehr ordentlich, sauber und wirkt fast wie neu, obwohl mir die Besitzerin versichert, dass es schon 20 Jahre auf dem Buckel hat. Ich halte mich jedoch nicht lange auf, mache mich kurz frisch und ziehe mich um, bevor ich zu einem ersten Rundgang aufbreche. Nach der körperlich anspruchsvollen Wohnungsrenovierung in den vergangenen zwei Wochen will ich Muskeln und Gelenke zunächst wieder an gesunde Bewegungsabläufe gewöhnen.
Das Wetter ist herrlich: Es ist 26°C, sonnig mit kleinen Sommerwölkchen und einem leicht frischen Nordwind. Der Einfachheit halber spaziere ich am Ufer der Bucht entlang, die Mílos in zwei Hälften trennt. Am Ortsrand entdecke ich Pistazien-Sträucher und den langen Papikinoú-Strand, der von großen und dichten Tamarisken mit viel natürlichem Schatten versorgt wird.
Wenn du die Richtung nicht änderst,
könntest du dort auskommen, wo es dich hintreibt.
(Laotse)
Einige Kilometer weiter weist ein Hinweisschild mit der Aufschrift "Thermal Springs of Alykes" darauf hin, dass an dieser Stelle heiße unterirdische Quellen ins Meer münden. Der Vulkanismus auf Mílos ist alles andere als erloschen. An diesem Strandabschnitt gibt es ein paar Bänke und sogar eine Umkleidekabine. Leider schwemmt der Nordwind gerade eine Menge Algen an, sodass ich nur mit den Beinen ins Wasser gehen möchte. Punktuell spürt man deutlich die Erwärmung des Meeres durch die Thermalquellen. Störender als die Algen empfinde ich jedoch das dauerhafte, laute Brummen des lokalen Elektrizitätswerks, welches sich unmittelbar hinter mir an der Straße befindet. So bleibe ich nicht lange und spaziere zurück nach Adámas.
Am südlichen Ortsrand gibt es eine Reihe von Tavernen direkt am Wasser. So etwas mag ich und merke mir bereits eine für das Abendessen vor. Im Dorf kaufe ich etwas Notproviant, falls ich auf meinen Touren in den nächsten Tagen abseits der Zivilisation stranden sollte, und bummele ein wenig durch den alten Ortskern, der sich am Hang hoch zieht. Im Norden des Ortes fällt mein Blick auf den Lagáda-Strand, der nur wenige Schritte von meinem Hotel entfernt liegt.
Am Abend spaziere ich zur vorgemerkten Taverne. Ich sitze direkt am Meer, so wie ich es liebe, und esse Kolokithokeftédes (Zucchinipuffer) sowie Lammkeule und Kartoffeln aus dem Ofen. Dazu passt erneut ein Mámos-Bier. Das Essen ist lecker und sehr reichlich. Nach einem kleinen Verdauungsspaziergang beschließe ich den Abend mit einem Mýthos-Bier auf der Hotelterrasse und überlege mir fußläufig erreichbare Ziele für die kommenden zwei Tage.