Der Tag beginnt erneut mit strahlendem Sonnenschein und einem Frühstück an der Promenade. Bevor ich heute an den Strand gehe, möchte ich zunächst etwas Stadtluft schnuppern, weshalb ich mich ins Auto setze und auf der Küstenstraße nach Norden aufmache.
Das nahegelegene Igoumenítsa ist eine Hafenstadt par excellence. Ich parke das Auto am südlichen Beginn der Uferstraße, wo der neue Fährhafen die Nabelschnur nach Kórfu bildet. Es vergeht kaum ein Augenblick, in dem nicht eine Fähre ankommt, be- oder entladen wird und wieder ablegt. Als Erstes kaufe ich mir eine Spanakópita auf die Hand und nehme in einem der zahlreichen Cafés Platz. Der griechische Mokka, Kafé Ellenikó, wird hier ganz authentisch im Ibrik serviert. Wer braucht da eigentlich noch all die modernen Kaffee-Variationen, deren Auflistung auf der Karte fast eine ganze Seite in Anspruch nimmt?
Igoumenítsa, eine Kleinstadt mit nicht einmal 30.000 Einwohnern, hat sich seit Fertigstellung der von West nach Ost landesweit durchgehenden Autobahn 2 (der "Egnatía Odós") und der Fertigstellung eines neuen Fährhafens in den 2010er Jahren zum zweitgrößten Passagierhafens des Landes (nach Piräus) entwickelt. Neben der Anbindung von Kórfu nutzt vor allem der Fährverkehr nach Westeuropa und Italien den verkehrstechnisch gut angebundenen Hafen gerne.
Zunächst spaziere ich durch den Hafen. Touristen kommen und gehen, Fußgänger, Busse, Autos, Motorräder, alles was fährt oder fahrbar gemacht werden kann, wird verladen, vom Sportboot bis zum Zementlaster. Es ist faszinierend, mit welch scheinbarer Leichtigkeit die großen Fähren rücklings "einparken" oder die 30-Tonnen-Trucks zentimetergenau rückwärts auf die Rampen navigieren. An der Straße reihen sich Cafés, Tavernen, Autovermietungen und Ticketläden aneinander. Das Leben pulsiert.
Das Werk der Götter unterbrechen wir – wir, die hastigen und unzähligen Kreaturen des Augenblicks.
(Konstantinos Kavafis)
Igoumenítsa ist alles andere als schick. Der große wirtschaftliche Aufschwung der vergangenen 30 Jahre hat zu vielen neuen Zweckbauten geführt. Alte Bausubstanz ist ohnehin nicht vorhanden, da die Stadt 1944 beim Rückzug der deutschen Wehrmacht vollständig zerstört wurde. Sie gleicht das mit einer brodelnden Geschäftigkeit aus. Ich spaziere zunächst am Ufer entlang. Den Fresken der neu gebauten Maria-Verkündigung-Kirche sieht man an, dass sie auf eine lange Tradition zurückblicken. Veränderung ist nicht das Markenzeichen der orthodoxen Kirche.
Die parallel zum Ufer verlaufende Fußgängerzone zeigt das Bild einer modernen Stadt, wie sie überall in Europa sein könnte. Nach einem ausgiebigen Bummel meldet sich irgendwann der gesunde Appetit. Wenn ich schon in einer Hafenstadt bin, sollte es hier eigentlich guten Fisch im Angebot geben. Es dauert überraschend lange, bis ich fündig werde, schließlich entdecke ich das "Thalassographia", eine Fischtaverne, an deren Tischen bereits ein Dutzend älterer Griechen sitzen. Dann kann sie so schlecht nicht sein!
Ohne auf die Speisekarte zu achten, frage ich nach einer Platte "mixed fried seafood". Der Kellner überlegt kurz und führt dann auf, was er anbieten kann: Anchovis, Shrimps, Kabeljau im Bierteig sowie Baby-Kalmar sind verfügbar. Die ordentliche Portion ist sehr lecker und schlägt mit nicht mehr als 11 € zu Buche. Anschließend spaziere ich langsam zum Auto und kehre nach Sývota zurück.
Gegen 16 Uhr mache ich mich auf den Weg zum nahen Gallikós-Molós-Strand, der ein wenig nördlich des kleinen Yachthafens beginnt. Er ist lang und schmal, aber sehr gepflegt und um diese Uhrzeit nimmt in Griechenland niemand mehr eine Gebühr für Liegen und Sonnenschirme. Außerdem stehen Eukalyptusbäume bis direkt am Strand und das gefällt mir sehr. Ein großer Teil der Gäste - zumeist Familien - packt schon bald zusammen, sodass es angenehm ruhig wird. Hier gibt es zwar wieder die zwickenden Fische, aber die Erfahrung lehrt, solange man sich im Wasser bewegt, wird man nicht behelligt.
Am späten Nachmittag höre ich Donnergrollen, das sich von den Bergen im Hinterland nähert. Dunkle Wolken verdichten sich, der Wind wird böig und die Brandung legt zu. Jedoch bleibt es am Strand sonnig und solange es nicht anfängt zu regnen, werde ich den schönen Platz nicht verlassen. Tatsächlich wird Sývota verschont, das große Unwetter zieht nördlich an mir vorbei und regnet sich über dem Norden Kórfus ab. Mit einem kühlen Bier halte ich es noch eine Weile aus und bleibe bis zum frühen Abend. Die Sonne hat derweil wieder Oberhand gewonnen und geht schließlich in malerischen Farben unter.
Die letzte Erhebung des Lichts wird von den Bergfelsen reflektiert und legt sich in die Bucht wie ein
rosa Tuch, über dem sich der Tag mit einer großen Geste davonmacht, einer Bewegung, die uns alle zu sanfteren Wesen
verzaubert.
(Dennis Freischlad)
Später als sonst gehe ich zum Essen. Mit Fáva, Moussaká und Retsína wird es heute ganz traditionell. Das Essen ist in Ordnung, aber warum selbst zu einem Moussaká noch Pommes serviert werden müssen, übersteigt mein Verständnis. Auf einen abschließenden Tsípouro verzichte ich, denn ich ahne, was mich zu Hause erwartet. Und behalte Recht: Als er mich kommen sieht, holt Achillés die Flasche bereits aus dem Schrank. Im Laufe des Abends gesellen sich weitere Gäste dazu: deutsch und griechisch sprechende Italiener sowie italienisch sprechende Griechen. Die Runde wird also noch multilingualer als gestern und ist mindestens genauso unterhaltsam. Allerdings belasse ich es heute bei drei Gläsern des selbst gebrannten Tresters.