Pílion / Thessaloníki 20.09.2020

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Die Nacht war ein Alptraum. Drei Stunden Hundegebell und -gejaule haben uns den Schlaf geraubt. Wir wachen unentspannt auf und sind zudem vom Wetter enttäuscht. Der klare Himmel am Abend und die Vorhersage hatten strahlenden Sonnenschein erwarten lassen, stattdessen ist es bewölkt. Das Badewetter soll sich nun erst am Nachmittag einstellen.

Nach einem üppigen Frühstück nutzen wir den Vormittag, uns das Nachbardorf anzuschauen. So oft ich bereits in Kalá Nerá war, so selten habe ich Áfissos besucht. Mit dem Auto sind wir in wenigen Minuten dort.

Besuche einmal im Jahr einen Ort, den du noch nicht kennst.
(Dalai Lama)

In Áfissos gibt es keine Küstenebene, sondern die Hügel reichen hier bis ans Meer. Dadurch bedingt ziehen sich die Häuser von der einzigen Straße am Ufer amphitheatralisch den Hang hinauf. Insgesamt bin ich vom Charme des Ortes überrascht. Entlang der Promenade reihen sich einladende Cafés und Tavernen und es gibt einen sehr reizenden Dorfplatz - etwas, was Kalá Nerá nicht zu bieten hat. Er wird von einem brückenüberspannten Wasserlauf geteilt, welcher von einem Brunnen am Ende des Platzes gespeist wird. Dieser ist Gegenstand einer mythologischen Geschichte: Hier seien Jason und die Argonauten auf der Suche nach dem Goldenen Vlies in See gestochen, nachdem sie am Brunnen ihre Wasservorräte aufgefüllt hatten.

Wir spazieren am Ufer entlang bis zum Strand, der sich am südlichen Ende des Dorfes anschließt. In flachen Salzwassertümpeln lässt sich eine reiche Meeresfauna beobachten. Angler und mit Brotködern bewaffnete Schnorcheltaucher weisen ebenfalls darauf hin, dass es hier reichlich Leben im Wasser gibt. Bei einer Runde durch das Dorf finden wir nicht nur Klischeemotive, sondern auch Überraschendes: Die Darstellungen auf der Ikonostase der Kirche sind außergewöhnlich unorthodox. Der Künstler war offensichtlich von der italienischen Malerei stark beeinflusst. Einen solchen Stil habe ich bei Ikonen in orthodoxen Kirchen bislang nicht gesehen.

Nach dem Streifzug nehmen wir in einer Espressobar Platz. Auf gemütlichen Sofas sitzen wir direkt am Wasser und laben uns an frisch gepresstem Orangensaft und Kaffee. Es wird allmählich sonniger und die Hoffnung, den Nachmittag wieder am Strand verbringen zu können, steigt. Am späten Mittag kehren wir nach Kalá Nerá zurück. Vom Frühstück übrig gebliebenes Obst, Äpfel vom Kloster Ágios Lavréntios und ein Rest Wassermelone reichen uns als Stärkung.

Den Nachmittag verbringen wir am Strand. Zunächst ist es noch etwas windig und diesig, aber bald klart es richtig auf und es entwickelt sich für den Rest des Tages bestes Badewetter.

Das Glück begreifen, dass der Boden auf dem du stehst, nicht größer sein kann, als die zwei Füße, die ihn bedecken.
(Franz Kafka)

Auf dem Weg zurück zum Hotel entdecke ich auf der Speisekarte der Taverne "Pagasitikos" Lammfleisch-Stifádo. Es zählt zu meinen Lieblingsgerichten und so beschließen wir, nach Sonnenuntergang hier zum Essen einzukehren. Das seit über 80 Jahren als Familienbetrieb bestehende "Pagasitikos" ist wohl die älteste Taverne des Ortes. Offensichtlich ist es auch bei den Einheimischen beliebt. Anders wäre es wohl kaum zu erklären, dass wir hier wiederholt eine Runde der Dorfältesten in Gesellschaft des lokalen Popen antreffen.

Wir werden mit Tsípouro und einem Tellerchen Olivenpaste zum Brot begrüßt. Ich muss nicht lange aussuchen, denn ich bin wegen des Stifádos gekommen. Heny entscheidet sich für Hähnchen in einer Senf-Wein-Soße, vorher lassen wir uns einen Tomaten-Gurkensalat bringen. Das Essen ist ausgezeichnet und wird von Roséwein und Malamatina-Retsína vervollständigt. Dass wir lediglich 28 € schuldig sind, ist nach meinem Empfinden eine Beleidigung für den Koch. Neben dem auch hier üblichen kleinen Eis am Stiel haben wir die Wahl, ob wir einen Kaffee oder Digestif auf Kosten des Hauses wünschen. Wir wünschen es und bekommen zwei mehr als großzügig eingeschenkte Tsípouro.

Áfissos:


Kalá Nerá: