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Es ist ein Licht, das anscheinend weder aus der Luft noch aus der Stratosphäre kommt. Es ist völlig jungfräulich, erzeugt ein gestochen scharfes Bild und hat eine gewaltige Leuchtkraft. Es zeigt Farben in ihrem ursprünglichen Zustand vor dem Sündenfall, als kämen sie direkt aus Gottes Vorstellungskraft.
(Louis de Bernières)

Der morgendliche Blick aus dem Fenster ist eine Offenbarung: Unbeschreiblich blauer Himmel! Unglaublich klare Luft! Unfassbar scharfes Licht! Unwirklich intensive Farben! Das ist ein Versprechen für einen wunderbaren Urlaubstag, der zunächst am üppigen Frühstücksbuffet beginnt. Es gibt sogar Loukoumádes.

Bevor wir die verbleibenden Tage des Urlaubs am Strand verbringen, wollen wir ein letztes Kulturprogramm absolvieren. Dazu fahren wir nach Górtis.

Górtis blickt auf eine bewegte Geschichte zurück: Die in minoischer Zeit gegründete Siedlung entwickelte sich ab 800 v. Chr. zu einer bedeutenden Wirtschaftsmetropole, dessen öffentlich in eine Mauer gemeißeltes Stadtrecht sogar von den Römern anerkannt wurde. Unter diesen wurde die Stadt zur mächtigen Hauptstadt. Später übertrug der Apostel Petrus seinem Gefährten Titus die Aufgabe, Kreta zu christianisieren. Die Ruine der Titus-Basilika steht bis heute. Nach der Zerstörung durch die Sarazenen im 9. Jahrhundert wurde Górtis nicht mehr aufgebaut. Ein Großteil der Stadt liegt seit rund 1.200 Jahren unberührt unter Olivenhainen.

Die archäologische Stätte ist überraschend wenig besucht. Die Apsis der Titus-Basilika mit ihren innovativen Türsturz-Konstruktionen begrüßt den Besucher direkt am Eingang. Hinter einem Olivengarten, dessen Bäume bestimmt nicht viel jünger sind als die steinernen Zeugen, gelangt man zum römischen Odeon und dahinter zum berühmten Stadtrecht. Eine zusammenhängende Textpassage aus 17.000 Zeichen ist hinter Gittern geschützt zu besichtigen, weitere nicht zugeordnete Fragmente liegen in der Landschaft. Um das antike Zentrum ist es ziemlich grün: Platanen, Zypressen, Oleander und verschieden Zitrusbäume stehen zu beiden Seiten eines plätschernden Baches. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite kämpfen wir uns bis zum Tempel der ägyptischen Götter, brechen dann aber ab, da das Gelände zwischen Bäumen, Disteln und allgegenwärtigen Kapernsträuchern immer unwegsamer wird. Dafür entdecken wir etwas versteckt eine Ausstellung hier gefundener römischer Statuen in Lebens- und Überlebensgröße. Zum Abschied wollen wir uns eine Erfrischung gönnen, doch die einstige Taverne neben dem Kassenhäuschen ist geschlossen. Insgesamt wirkt die Ausgrabungsstätte ein wenig vernachlässigt.

Wir verlassen Górtis und fahren höher in die Berge nach Zarós. Das große Dorf ist in Kreta sehr bekannt, da das meiste in Flaschen abgefüllte Trinkwasser von hier stammt. Mehrere Quellen oberhalb des Dorfes sorgen für einen enormen Wasserreichtum. Einst gab es hier sogar eine Wassermühle, deren Räumlichkeiten man frei besichtigen kann. Seit den 1980er Jahren wird das Wasser auch zur Zucht von Süßwasserfischen genutzt, allen voran Forellen. Und genau deshalb sind wir zur Mittagstunde hier. Unmittelbar neben den frei einsehbaren Zuchtbecken befindet sich eine Taverne, die keine weiten Lieferwege benötigt, der Fisch springt quasi vom Becken direkt auf den Grill. Heny bekommt eine große Forelle natur, gegrillt und mit Chórta und Pommes als Beilage. Ich habe nach der Durchquerung von Górtis' Oliven- und Kaperndickicht spontan Appetit auf gegrillte Forellenfilets mit einer Tomaten-Oliven-Kapernsoße. Beide Gerichte sind erstklassig und für je 11 € beinahe geschenkt. Hier wird Mamos-Bier ausgeschenkt, eine mir bislang unbekannte Marke, dessen hohe Qualität zum Essen passt. Anschließend wird ein großer Teller mit Wasser- und Honigmelone serviert.

Für den Rest des Tages wollen wir wieder ans Meer. Ich schlage den Kommós-Strand vor. Ich war zuletzt vor 19 Jahren dort und bin gespannt, wie er sich entwickelt hat. Zu meiner großen Überraschung hat er dem Tourismus so gut wie unverändert widerstanden. Der kilometerlange feinkieselige Strand ist wenig besucht. Abgesehen von einer kleinen Taverne am Parkplatz und einem WC gibt es keine touristische Infrastruktur, nicht einmal Liegen und Schirme sind zu mieten. Gut, dass wir immer unsere Strandmuschel dabei haben, die sowohl vor der gleißenden Sonne wie auch vor dem frischen Wind Schutz bietet. Der Grund für die unerwartete Ruhe ist vielleicht, dass sich glatte Felsplatten in der Brandungszone befinden, über die man schon bei mäßigem Wellengang schwierig ins Wasser kommt.

Das Licht Griechenlands öffnete meine Augen, durchdrang meine Poren, weitete mein ganzes Ich.
(Henry Miller)

Ob kleine Baumeister, Weltenbummler, Rollerfans oder Sonnenuntergangs-Philosophen: Vielleicht hat der Strand von Kommós dadurch die Chance, auch in Zukunft ein Ort für Individualisten zu bleiben.

Gegen 18:30 Uhr fahren wir ins nahe Mátala zurück. Nach den guten Erfahrungen von gestern kehren wir zum Essen wieder bei den "2 Brüdern" ein. Als Vorspeise wählen wir heute "Cornets". Das sind Teighörnchen, die mit Hackfleisch gefüllt und mit Avocadocreme nach Art einer Guacamole getoppt sind. Danach bekommt Heny einen gegrillten Kalmar auf Auberginen-Tatar, während ich mit einer Moussaká beglückt werde. Weißwein und Retsína vervollständigen den Genuss. 38 € leichter, einen Schokopudding, eine Portion Melone und die hierzulande übliche Dosis Rakí schwerer zeigen wir lange keinerlei Bestreben, die gemütlichen Sesselchen des Lokals zu verlassen. Mit einer weiteren Karaffe Rakí beweist uns der Wirt, dass auch er keine Notwendigkeit sieht, uns rasch loszuwerden.