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Nach einem herzhaften Frühstück im selben Café wie gestern verabschieden wir uns von Iráklion und fahren die teilweise autobahnähnlich ausgebaute "National Road" gen Westen. Über viele Kilometer blüht an den Straßenrändern der Oleander so üppig, als ginge es um die Existenz der Insel. Die Abzweigung zum Kloster Arkádi ist überraschenderweise miserabel ausgeschildert, obwohl es sich immerhin um Kretas wichtigste nationale Gedenkstätte handelt. Wir müssen einige Kilometer zurück fahren und werden dabei durch die Badeorte an der Küste geleitet. Jetzt verstehe ich, was der Kreter mit "Costa Touristica" meint...

Das mindestens 700 Jahre alte Kloster Arkádi spielte eine herausragende Rolle im kretischen Kampf um Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich. Im November 1866 griff ein osmanisches Heer mit 15.000 Mann das Kloster an, in dem sich mehrere hundert Menschen aufhielten. Nach zwei Tagen aussichtslosen Widerstandes entschieden die Belagerten, dem Gegner nicht lebend in die Hände fallen zu wollen. Die verbliebenen Kämpfer sowie Frauen und Kinder zogen sich in das Pulvermagazin zurück und sprengten sich mit diesem in die Luft. Bei der Explosion kamen alle darin befindlichen Personen und zahlreiche türkische Soldaten ums Leben.

Die zentrale Kirche im Stil der venezianischen Renaissance würde in jedem Sergio-Leone-Western eine hervorragende Kulisse abgeben. Doch spielt die Architektur angesichts der geschichtsträchtigen Bedeutung des Ortes eine untergeordnete Rolle. Das ehemalige Refektorium und einige angrenzende Räume werden als kleines Museum genutzt, was Schwalben nicht davon abhält, im offenen Vorraum zu nisten. Die unkritische Verehrung der Freiheitskämpfer betrachte ich mit gemischten Gefühlen. Martialisch portraitierte Äbte mit Karabiner in der Hand, mit gekreuzten Patronengurten über der Brust und Säbel im Gürtel passen nun mal nicht in meine Vorstellung von christlichen Grundwerten. Die goldbeschlagenen Evangeliare gefallen mir da schon besser.

Davon abgesehen ist das Kloster sehenswert und seine Geschichte faszinierend. Im Klosterhof werden in zahlreichen Beeten und Kübeln Rosen gezogen, die die gesamte Anlage mit ihren betörenden Duft erfüllen. Die Kirche ist renoviert und zeigt sich innen in schlichter Einfachheit. Lediglich das ehemalige Pulvermagazin wurde als Denkmal im ursprünglichen Zustand belassen und nur um einen kleinen Gedenkaltar unter dem weggesprengten Dachgewölbe ergänzt.

Am späten Mittag erreichen wir schließlich Réthymno, wo wir uns am alten Hafen an Kalamáres, Gávros und Tsatsíki laben. Nach einem kurzen Stadtbummel steigen wir zur Fortezza, der mächtigen früheren venezianischen Festungsanlage hinauf. In dem weitläufigen Areal gibt es einiges zu sehen. Von den Mauern südlich des Eingangs hat man einen guten Blick über die Stadt. Auf dem Gelände stehen Ruinen von Lagerhäusern, Soldatenunterkünften und ähnlichem. Die kleine Kapelle San Nicolo wirkt neben der Ibrahim-Han-Moschee ziemlich unscheinbar. Letztere beeindruckt durch die architektonisch elegante Lösung, eine quadratische Grundfläche von einer runden Kuppel zu überwölben. An anderer Stelle rosten alte Kanonenrohre zwischen den Mauerresten vor sich hin, dazwischen blühen viele verschiedene Blumen, die Myriaden von Bienen anlocken. Ihr Summen erfüllt weite Teile des Geländes. Kakteen, Palmen, Oleander und manch unbekannte Spezies runden das bunte Bild ab.

Es war mitten im Frühling, wenn die Insel am heitersten und schönsten ist. [...] Im Frühling ist es mild, nachts kommt mit einer leichten Brise ein sanfter Regen, und Wildblumen blühen an den unmöglichsten Stellen.
(Louis de Bernières)

Der östliche Bereich der Fortezza ist jedoch am schönsten. Hier blickt man auf den alten und neuen Hafen und weiter entlang der kretischen Küste. Die Vegetation ist am üppigsten, der Oleander duftet am intensivsten und die Gebäude sind am besten erhalten. Letztendlich spazieren wir so lange durch die Festungsanlage, dass uns die Zeit für einen Bummel durch die Altstadt von Réthymno fehlt und wir ohne weiteren Aufenthalt bis zu unserer nächsten Unterkunft nach Chaniá weiterfahren, wo wir gegen 19 Uhr ankommen.

In Chaniá haben wir im "Doge Traditional Hotel" für fünf Nächte reserviert. Das Hotel macht seinem Namen alle Ehre. Es befindet sich im Zentrum der Altstadt in einem venezianischen Stadthaus aus dem 15. Jahrhundert. Das Zimmer ist ein kleiner Traum: Sehr geschmackvoll mit wunderschönen alten Massivholzmöbeln eingerichtet und dabei mit allem notwendigen Komfort ausgestattet. Aus den Fenstern schauen wir in eine autofreie Gasse, die tagsüber zwar lebendig, nächtens aber so ruhig ist, dass wir ohne Störung bei offenem Fenster schlafen können. Keine 100 Meter entfernt befindet sich die Promenade am venezianischen Hafen.

Da wir nach dem späten und reichlichen Mittagessen keinen großen Hunger verspüren, begnügen wir uns mit zwei Vorspeisen in einem der ungezählten Restaurants, die das alte Hafenbecken umgeben. Das Bier ist gut gekühlt, die Oktopus-Frikadellen sowie die mit Spinat und Käse gefüllten frittierten Teigtaschen sind delikat. Da man hier ganz wunderbar sitzt, bleiben wir lange und lassen dem Essen einen Cocktail folgen. Dieser verhindert jedoch nicht, dass uns mit der Rechnung über 39 € auch hier eine großzügige Karaffe Rakí kredenzt wird.

Bei einem abschließenden Abendspaziergang stoßen wir am Ende der Promenade auf eine Gruppe junger Leute, die entspannt zusammen musizieren. Sie machen den Eindruck, dass sie der Musik wegen hier spielen und nicht um Geld zu sammeln. Dazu wäre ein stärker frequentierter Ort wohl auch angebrachter. Die dargebotene Folklore gefällt uns jedenfalls außerordentlich gut und bleibt uns lange in den Ohren.

Kloster Arkádi:


Réthymno:


Chaniá: