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Am Morgen begeben wir uns erneut zum Morosini-Brunnen, um dort im ältesten Café am Platze ("Loukoumádes bakery since 1922") mit einem süßen Frühstück zu starten. Die hier servierten Loukoumádes werden seit vielen Jahren in gleichbleibend hoher Qualität hergestellt. Heny lässt sich eine Bougátsa schmecken, die mindestens ebenso lecker ist. Während die Kohlehydrate unsere Körper fluten, planen wir das heutige Programm: Wir entscheiden uns für einen Tag der minoischen Kultur mit einem Besuch von Knossós und dem Archäologischen Museum von Iráklion.

Als wir gegen 10:30 Uhr das Gelände von Knossós erreichen, bin ich angenehm überrascht, dass der große Ansturm noch nicht eingesetzt hat. Lediglich ein einziger Reisebus ist auf dem großen Parkplatz zu entdecken. Das Kombiticket, welches den Eintritt für das Archäologische Museum einschließt, kostet lediglich einen Euro mehr als der Eintritt für Knossós alleine. So lockt man Besucher ins Museum!

Wie erwartet hat sich die Ausgrabungsstätte in den letzten Jahren nicht verändert und so kann ich mit meinen Orts- und Geschichtskenntnissen ein wenig den Reiseführer für Heny geben. Ein so bedeutender Ort der Weltgeschichte ist für mich auch beim zweiten Besuch interessant. Das Wetter ist für eine Besichtigung der schattenlosen Stätte perfekt und vier Augen sehen nun mal mehr als zwei. So zum Beispiel die 3500 Jahre alten mannshohen Amphoren, an die ich mich gar nicht mehr erinnerte. Die weltbekannten Höhepunkte wie der "Thronsaal", das mehrstöckige Treppenhaus oder der Fundort der berühmten Delfinfresken sind genauso beeindruckend wie die verwirrende Komplexität der gesamten Anlage. Sehr angenehm empfinde ich die relativ geringe Anzahl an Besuchern, sodass wir nirgendwo Schlange stehen müssen und alles ungestört in Augenschein nehmen können. So bleibt sogar die Ruhe für die kleinen Schönheiten am Rande wie die Kapernsträucher, deren zarte Blüten für Farbtupfer zwischen den alten Steinen sorgen. Erst gegen Mittag nimmt der Besucherstrom merklich zu.

Man fühlt sich in Knossos eher auf einem Ausstellungsgelände [...], als auf einem ehrwürdigsten Platz der Geschichte der Menschheit.
(Erhart Kästner)

Zu dieser Zeit fahren wir ins 30 Kilometer entfernte Fódele. Der Ort reklamiert für sich, der Geburtsort des Malers El Greco zu sein, was heutzutage jedoch stark angezweifelt wird. Dieser Disput muss uns nicht bekümmern, sind wir doch wegen der idyllischen Schönheit des Bergdorfes gekommen, welches inmitten von üppig grünen Bäumen an einem Bach liegt. Hier finden wir wie erhofft eine einladende Taverne. Sehr schön sitzen wir im Schatten einer steinalten Platane, unmittelbar neben dem rauschenden Bach und genießen in der frischen Bergluft eine gemischte Vorspeisenplatte und gut gekühltes Mýthos-Bier.

Nach der Mittagspause machen wir einen kleinen Spaziergang. Am Wegesrand können wir leckere reife Mispeln pflücken und uns später im Dorf handgearbeitete Makrameewaren anschauen. Obwohl wir vor vorneherein klarstellen, dass wir nichts zu kaufen gedenken, demonstriert uns eine der Frauen gerne die Kunst der alten orientalischen Knüpftechnik.

Zurück in Iráklion pflegen wir zunächst die Siesta im Hotel, bevor wir zum Archäologischen Museum gehen. Bei meinem letzten Besuch wurde das Museum grundrenoviert, sodass nur ein Teil der Sammlung ausgestellt werden konnte. So freue ich mich heute auf die mir noch unbekannten Schätze.

Das Archäologischen Museum Iráklion gilt nach dem Nationalmuseum in Athen als das bedeutendste Museum Griechenlands. Der Schwerpunkt der Sammlung bilden die Funde aus den minoischen Palästen Kretas, allen voran die aus Knossós, Féstos, Agía Triáda sowie Káto Zákros.

Wie in früheren Reiseberichten ist es auch in diesem Jahr nicht meine Absicht, einen Museumsführer zu ersetzen. Dennoch habe ich das Bedürfnis, die Objekte zu präsentieren, die mich am meisten begeistert haben. So zum Beispiel die handwerkliche Perfektion der Töpferwaren wie der Doppelkrug, die rituellen Stachelkrüge oder die Amphore mit der Oktopus-Dekoration. Phantastisch sind auch die aus Marmor geschnittenen Objekte wie die zweihenkelige Vase oder die schlanken Amphoren und Trinkgefäße. Der Diskos von Féstos fasziniert die Welt mit seinen nach wie vor nicht vollständig entschlüsselten Schriftzeichen. Reizvoll finde ich die kleinen Skulpturen des Stierspringers oder der Priesterinnen genauso wie den lebensgroßen und perfekt proportionierten Stierkopf mit den goldenen Hörnern. Und natürlich ist der zeitlose Geschmack und die Fähigkeit der Goldschmiede wegweisend für die europäische Kultur. Die Doppelaxt als Symbol der minoischen Herrscher oder die fein gearbeiteten Halsketten aus Gold und blauem Glas oder Bergkristall könnte man 3500 Jahre nach ihrer Herstellung noch jederzeit tragen. Begeistert von soviel Kunst lässt sich Heny sogar zu einem lustigen Posieren vor den Sarkophagen hinreißen. Von den vielen Eindrücken erschöpft statten wir der Freskenausstellung in der oberen Museumsetage nur noch einen kurzen Besuch ab.

Am gestrigen Tag hatten wir im Gassenlabyrinth hinter der Venezianischen Loggia die sehr einladend wirkende Taverne "Tempélis" entdeckt. Nach kurzer Suche finden wir sie heute wieder und lassen uns dort zum Abendessen nieder. Um die Zeit der Unentschlossenheit bei unserer Speisenauswahl nicht ungenutzt vergehen zu lassen, serviert uns der charmant-unterhaltsame Kellner zunächst einen Rakí aufs Haus. Das hilft uns zwar nicht bei der Entscheidungsfindung, dämpft aber auch nicht unsere ohnehin gute Laune. Der üppige Genuss von gebratenen Pilzen mit Féta-Käse, mit Fleisch gefüllter Aubergine (Papoutsákia) sowie in Tomatensoße geschmorter Ziege wird von zwei großen Mýthos bzw. einem Liter Rotwein begleitet. Satt wie wir sind, hegen wir die Hoffnung, dass Nachspeise und Rakí-Portion leicht und klein ausfallen. Wir werden in beiden Belangen enttäuscht: Mit der Rechnung über 35 € serviert unser Kellner zunächst eine riesige Portion Loukoumádes mit Vanilleeis sowie die bekannte 10 cl Karaffe Rakí. Sich über unsere gute Stimmung freuend, stellt er uns kurze Zeit später beiläufig einen weiteren halben Liter Rotwein auf den Tisch (wir nennen ihn inzwischen nur noch "den Verrückten"). Schlussendlich bekommen wir eine zweite Karaffe Rakí spendiert. Zum Glück ist der Heimweg ins Hotel nicht weit...

"Sind die Griechen alle so verrückt?" Ich musste diese Frage bejahen.
(Lawrence Durrell)

Iráklion:


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Fódele:


Archäologisches Museum Iráklion: