Píndos / Pílion 05.06.2017

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Im Südosten der Halbinsel liegt die letzte mir unbekannte Region. Sie ist mein Ziel für den heutigen Tag. Zunächst fahre ich bis Milína und wende mich dann gen Osten. Die Mittelgebirgslandschaft ist sehr reizvoll und mit Láfkos und Promíri liegen zwei schöne Gebirgsdörfer auf der Strecke. Auf zunehmend weniger gut ausgebauten Straßen erreiche ich die Ostküste.

Der Mortiás-Strand ist eine abgelegene kleine Sandbucht, die von einigen pittoresken Felsformationen eingerahmt wird. Ich hatte gehofft, hier etwas zum Frühstücken zu finden, aber das letzte Geschäft war anscheinend in Promíri. Je 20 Minuten hin und zurück zu fahren ist mir doch etwas zuviel. So lege ich nur eine kurze Pause ein und lausche dem Wind, Brandungsgeräuschen und Vogelstimmen - ein echter Geheimtipp für Ruhesuchende. Letzten Endes entscheide ich mich, einer Empfehlung zu folgen, die ich gestern von dem deutschen Paar bekommen hatte.

So lande ich ein paar Kilometer weiter südlich in Katigiórgis. Die Straße dorthin führt durch eine außergewöhnlich schöne Hügellandschaft mit sehr abwechslungsreicher Vegetation aus Olivenhainen, dichtem Laubwald und Macchie.

Nirgendwo ist sich eine Landschaft je ihrer selbst so bewusst gewesen und hat dem Maß des Menschen so harmonisch entsprochen.
(Lawrence Durrell)

Der kleine Ort am Knie der Halbinsel besteht aus kaum mehr als einem Dutzend Häusern, die sich um eine kleine Hafenbucht mit Sandstrand und Anlegestelle gruppieren. Umso erstaunlicher sind die vielen geparkten Autos, die schon weit vor dem Ort die Straßenränder verstopfen. Zunächst schockiert über deren Anzahl erklärt sich mir der Umstand dadurch, dass man von hier aus schnell zur Insel Skíathos übersetzen kann, die zum Greifen nah erscheint.

Daneben scheint sich der Ort als Tagesausflugsziel für Familien mit kleinen Kindern einen Namen gemacht zu haben, wozu der schöne flache Sandstrand bestimmt einiges beigetragen hat. Abgesehen von zwei deutschen Familien höre ich ausschließlich Griechisch. In Ermangelung einer Straße haben die Strandtavernen ihre Tische einfach auf den Sand gestellt - so kann man vom Tisch direkt ins Meer rollen. Ich hörte, man solle hier sehr gut Fisch essen können, was ich keine Sekunde bezweifele, doch ist es mir dafür viel zu früh. So lasse ich mich lediglich auf einen Kafé frappé und ein Eis nieder und genieße die entspannte Atmosphäre des Ortes. Hier lässt es sich gut aushalten!

Von Katigiórgis fahre ich parallel der Südküste weiter. Die Landschaft ist wahrlich großartig. Es geht durch einen wunderschönen alten, üppig-grünen Pinienwald. Der gesamte Landstrich duftet nach Harz und von der Straße ergeben sich immer wieder herrliche Ausblicke auf die Küste, auf Skíathos, Évia und das Festland. Südlich von Promíri treffe ich wieder auf die Straße, auf der ich am Morgen kam. Mein nächstes Ziel befindet sich weiter nördlich. Ich fahre zurück bis Argalastí und von dort weiter nach Potistiká.

Der Strand des Ortes ist der mit Abstand längste im Süden der Magnesía-Halbinsel. Man kann Liegen und Sonnenschirme mieten, das Wetter ist traumhaft schön, was liegt näher als den Nachmittag hier zu verbringen? Vorher möchte ich jedoch etwas essen - eine der hiesigen Tavernen wurde mir empfohlen. Sie befindet sich nicht direkt am Strand, sondern ist etwa 100 Meter landeinwärts gelegen. Ein unscheinbares Schild weist den Weg, der etwas versteckt durch Gärten führt.

In der Taverne sind nur zwei Tische besetzt, wobei die Gäste offensichtlich zur Familie oder zum engsten Freundeskreis gehören. Außerdem spielen drei Männer live griechische Folklore. Warum muss eigentlich der elektrische Verstärker stets bis zum Maximum aufgedreht sein? Ich bestelle ein Mýthos und Spetzofái, ein typisch piliotisches Gericht aus Paprika und grober Bauernwurst. Der Eintopf ist deftig, ölig und lecker - das ist absolut authentische Landküche! Während des Essens beginnt der ca. 12-jährige Sohn des Hauses, zur Musik zu tanzen und ich bin überrascht, wie gut der nicht sehr sportlich wirkende Junge dies bereits macht. Anschließend schwingt der Rest der Familie ebenfalls das Tanzbein. Der durchtrainierte Vater scheint das öfters zu machen - er tanzt wirklich ausgezeichnet. Aber ganz gleich, wie gut der Einzelne tanzt: Die überschwängliche Lebensfreude, die aus den Herzen der Menschen sprüht, überträgt sich auf mich und ich spüre, wie ihr Echo den gesamten Nachmittag nachhallt. Eine wunderbare Erfahrung!

Als ich Sorbas so tanzen sah, begriff ich zum erstenmal den schimärischen Drang des Menschen, die Schwerkraft zu überwinden. Ich bewunderte seine Ausdauer, seine Behendigkeit, seinen Stolz.
(Nikos Kazantzakis)

Nach dem Essen gehe ich ans Meer. Der feinsandige Potistiká-Strand wird durch mächtige Felsen in zwei Teile getrennt. Hinter einer kleinen Landzunge schließt sich im Süden die noch längere Melaní-Bucht an, an dem FKK akzeptiert wird - in Griechenland eine Seltenheit. Anders als am Melaní- ist am Potistiká-Strand nicht alles naturbelassen. Ich miete eine Sonnenliege samt Schirm und mache es mir bequem. Das Wasser der hier offenen Ägäis ist deutlich kühler als im geschützten Golf, doch nach der ersten Überwindung macht das Baden großen Spaß und man kann es lange im Meer aushalten. Ich bleibe bis zum späten Nachmittag.

Die ganze Welt war von atmendem Blau überdunstet.
(Erhart Kästner)

Völlig tiefenentspannt mache ich mich auf den Rückweg. Oberhalb von Argalastí gibt es eine Stelle, von der man den gesamten pagasitischen Golf überblicken kann. In der messerscharf klaren Luft unter dem tintenblauen Himmel wirkt der scheinbar rundum von Bergen eingeschlossene Golf wie ein See.

Am Abend gehe ich ins Nirvana und begnüge mich eingedenk des reichlichen Mittagessens mit einer Mezédes-Platte. Diese erweist sich durchaus als ernstzunehmende Mahlzeit, denn sie besteht aus Tsatsíki, Féta, Rote Beete, Tomaten, Pommes, Bratwurst, gebratener Paprika und einem dicken Stück Lammfleisch. Zusammen mit einem Mýthos-Bier reichen mir heute 9,50 €, um satt zu werden. Später bummele ich die Promenade auf und ab und setze mich eine Zeitlang an den Strand. Der fast volle Mond spiegelt sich romantisch im Meer.

Promíri:


Mortiás-Strand:


Katigiórgis:


Potistiká:


Tanz (Video):


Potistiká-Strand:


Kalá Nerá: