In anderen Ländern kannst du Gewohnheiten, Gebräuche und Landschaften entdecken;
Griechenland macht es dir schwerer – hier hast du dich selbst zu entdecken.
(Lawrence Durrell)
Sechs Reisen in Folge haben mich auf griechische Inseln und Halbinseln geführt. Dieses Jahr lockte mich wieder das Festland. Berge und Meer - wo in Europa findet sich diese Kombination so großartig wie hier? Nicht ganz unschuldig an dieser Entscheidung war die hervorragende arte-TV-Reportage "Von den Gipfeln bis ans Meer", die im Herbst vergangenen Jahres ausgestrahlt wurde. Ich werde später gelegentlich darauf zurückkommen.
Am frühen Sonntagnachmittag geht es los. Der eurowings-Airbus hebt pünktlich ab und setzt nach ruhigem Flug zwei Stunden später zum Landeanflug an. Unter den Wolken, die bereits seit Kroatien den Balkan bedeckten, regnet es heftig. Kurz vor dem Aufsetzen überfliegen wir das Stadtzentrum von Thessaloníki, was mir die Gelegenheit gibt, viele bekannte Gebäude, Straßen und Plätze zu erkennen. Sogar mein Hotel kann ich von oben bereits identifizieren. Ich bemerke in mir die erwachende Urlaubsstimmung.
Nach der Landung geht es Schlag auf Schlag. Die Wartezeit am Kofferband nutze ich gewöhnlich zum Aufsuchen der Waschräume, heute liegt mein Trolley bereits auf dem Band, als ich ankomme. Daran könnte man sich in Köln ein Vorbild nehmen. Die Übernahme des Mietwagens geht ebenso zügig vonstatten, sodass ich 40 Minuten nach der Landung bereits hinter dem Steuer eines schwarzen Toyota Aygo Platz nehme. Der Regen hat inzwischen aufgehört.
Das Hotel Orestias Kastorias, in dem ich für die erste Nacht reserviert habe, kenne ich bereits von früheren Aufenthalten und habe demzufolge kein Problem, es zu finden. Es liegt mitten in der Innenstadt, unmittelbar am Platz der römischen Agora. In diesem Gebiet einen Parkplatz zu finden, gilt gemeinhin als Ding der Unmöglichkeit. Doch ich habe Glück: Direkt vor dem Hoteleingang ist eine winzige Lücke. Mit Hilfe der Einweisung des Rezeptionisten gelingt es mir, den Kleinstwagen einzuparken. Besser konnte die Anreise nicht gelingen!
Inzwischen ist der Himmel weiter aufgeklart und obwohl es nach griechischen Maßstäben für die Jahreszeit zu kühl ist, füllen sich die Straßen nach dem Ende des Regens rasch mit Menschen. Ich spaziere zunächst zur Promenade. Der stadtnächste Hafenkai wird inzwischen nicht mehr als solches genutzt, sondern hier hat sich - neben dem Museum für Fotografie und dem für zeitgenössische Kunst - eine junge kreative Szene etabliert. In einem der alten Lagerhäuser liegt zudem die "Kitchen Bar", die offensichtlich besonders bei den "young urban professionals" großen Anklang findet.
Für mein eigenes Abendessen kehre ich im "Agorá" ein, wo ich mir über Holzkohle gegrillte Austernpilze und Fleischbällchen "nach Großmutters Art" servieren lasse. Dazu trinke ich einen Malamatina Retsína. Das klingt zwar schlicht, ist aber ein wahrer Gaumenschmaus.
Dazu natürlich Wein und Bergquellwasser - das alles ist Lichtjahre entfernt von jeglicher
kulinarischen Raffinesse und gerade deshalb so extravagant.
(Ekkehart Eichler)
Das Lokal liegt in einer unscheinbaren Seitengasse und hat seine Stühle draußen unter großen Markisen platziert, sodass ein zwischenzeitlich niedergehender Regenschauer mein Wohlbefinden nicht beeinträchtigt. Mit der Rechnung über 16 € bekomme ich abschließend zwei kleine Stücke Kuchen serviert: eine Mandel-Grieß-Schnitte und ein Kakao-Biskuit.
Der Verdauungsspaziergang führt mich über die "Egnatía", eine der Hauptstraßen Thessaloníkis, die die Stadt in West-Ost-Richtung durchquert. Ihr Verlauf orientiert sich exakt an der antiken "Via Egnatia" - zumindest hier in der Stadt. Dies wird mir durch die neuesten Ausgrabungen bewusst, die mitten im Zentrum das antike römische Pflaster genau unter der heutigen Straße freilegen.
Auf dem Rückweg ins Hotel finde ich im Dreieck zwischen der Straßen Olimpou und Tositsa einen sehr stimmungsvollen kleinen Platz, der sich ein wenig versteckt zwischen den Häuserblöcken befindet. Neben dem "Bit Bazar" bieten hier fünf weitere Lokale ihre Speisen und Getränke an. Als ich eintreffe sind noch viele Plätze unbesetzt, doch bereits jetzt empfinde ich den Ort als so einladend, dass ich mich zu einem Vergina-Bier niederlasse. Schon am frühen Abend, also ab 22 Uhr, füllt es sich rasch mit überwiegend jungem und trendbewusstem Publikum. Die äußerst angenehme Stimmung verleitet mich, länger als geplant zu verweilen, den gelungenen Anreise-Tag mit einem weiteren Bier und einer Zigarre beendend.