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Am Morgen ist es diesig und leicht bewölkt, was meinem heutigen Tagesplan, den Süden der Insel zu entdecken, jedoch nicht im Wege steht. Mein erstes Ziel ist das Kloster Ipsénis in der Nähe des Ortes Lárdos, der von Líndos nur wenige Minuten Fahrt entfernt ist. Es ist zwar per Auto erreichbar, ich lasse den Wagen jedoch ganz bewusst in Lárdos stehen und gehe zu Fuß zum Kloster.

Die Windschutzscheibe [...] ist die wahre Vertreibung aus dem Paradiese aller echten Reiseerlebnisse. Wer dahinter sitzt, hat sich getrennt und geschieden von allen Gedanken, die das Einfache, das Wahre, das Wandern zu Fuß beschert.
(Erhart Kästner)

Jenseits des Dorfes führt der Weg zunächst flach durch gepflegte Gärten und Olivenhaine, später geht es gemäßigt bergauf. Ziegen streifen frei umher und der Duft von sonnenwarmem Kiefernharz erfüllt die Luft. Weiter oben sind die Spuren früherer Waldbrände frisch und Maßnahmen, die man dagegen ins Leben gerufen hat, sind ersichtlich: Riesige Löschwassertanks stehen am Straßenrand. Nach 40 Minuten Wanderung taucht das Ziel vor mir auf.

Das Kloster Ipsénis hat keine lange Geschichte, dennoch ist es wegen seiner als wundertätig verehrten Marienikone ein beliebtes Pilgerziel. Ein großer Parkplatz und der etwas überdimensioniert erscheinende Neubau einer zweiten Kirche zeugen von der Beliebtheit der Weihestätte. Die dort lebenden Nonnen sind in stiller Betriebsamkeit versunken, als ich eintreffe. Auf einer kleinen Terrasse nehme ich im Schatten von Orangenbäumen Platz - dort werde ich bald mit Orangensaft und einem Korb luftig-leckerer Gebäckkringel freundlich begrüßt. An diesem ruhigen Platz mit Blick auf den Klostergarten voller Olivenbäume und Weinreben könnte man beliebig lange meditieren. Ich mache mich jedoch nach angemessener Pause wieder auf den Rückweg zum Auto.

Im nicht weit entfernten Dorf Asklipío kehre ich anschließend zu einem Kafé frappé ein. Der Ort befindet sich knapp vier Kilometer von der Küste entfernt und erscheint wie in vergangenen Zeiten. Hierher verirren sich kaum Touristen, abgesehen von wenigen, die nach dem Weg zum Kloster Thári fragen. Der Pick-up des fahrenden Fischverkäufers wird von mehr Katzen als Kunden belagert. Einzig die Dorfkirche zieht einige kulturinteressierte Besucher an. Die aus Naturstein gemauerte, dreischiffige Kreuzkuppelkirche Kimísis tis Theotókou ist für ihre Fresken weithin bekannt. Zu Recht: Sie zeigen nicht, wie sonst üblich, stilisierte Portraits orthodoxer Heiliger, sondern illustrieren die Kapitel der Bibel. Und dies von Anfang bis zum Ende, also von der Schöpfungsgeschichte über Episoden aus dem Leben Jesu bis zur Apokalypse - äußerst ungewöhnlich und interessant. Im kleinen Eintrittspreis ist der Besuch eines Museums eingeschlossen, in dem liturgische und sakrale Gegenstände sowie Geräte aus dem Alltagsleben des Dorfes ausgestellt werden. Hier findet vor allem eine alte, dieselgetriebene Olivenpresse meine Beachtung.

Entlang der Küste befinden sich einige große Hotels. Ihre saftig-grünen Gartenanlagen inmitten der kargen Umgebung wirken ein wenig wie Las Vegas. Ich folge der Straße weiter in Richtung Süden. Hier wird die Landschaft zunehmend baum- und reizlos, schon sommertrocken erstreckt sie sich unter dem gleißenden weiß-dunstigen Himmel. Mitten im Niemandsland tauchen wie eine Fata Morgana ein Container-Lager und eine Großbaustelle auf. Es ist der Neubau eines Kraftwerks, das den steigenden Stromverbrauch der Insel auch in Zukunft sicherstellen soll. Warum in dieser Einöde, umgeben vom Prasonísi Nationalpark, das schmutzige und schwefelhaltige Mazut-Öl verbrannt werden soll, anstatt die im Überfluss zur Verfügung stehende Wind- und Sonnenenergie zu nutzen, ist ökologisch höchst umstritten, wie Informationstafeln und Plakate in der Umgebung beweisen.

Buchstäblich am Ende des Weges kommt es zu einem letzten Aufflammen der Zivilisation. Hier, wo die winzige Insel Prasonísi über eine Sandbank mit der Hauptinsel verbunden ist, hat sich ein Dorado für Wind- und Kitesurfer entwickelt. Wer deswegen glaubt, nur sportlich durchtrainierte Menschen anzutreffen, wird überrascht: Das Durchschnittspublikum in den lokalen Tavernen unterscheidet sich in Nichts vom Rest der Insel. Auch ich fröne zunächst den leiblichen Genüssen: Eine Portion Biftéki mit Pommes und ein Mýthos darf es schon sein.

So gestärkt überquere ich die Sandbrücke zum Inselchen. Während sich die Wassersportler nach Herzenslust austoben können, ist Prasonísi für Badegäste weniger geeignet: Der an dieser Stelle übliche starke Wind bewirkt, dass man sich bei nackter Haut schnell sandgestrahlt fühlt. Die Insel selbst ist lediglich ein karger Haufen steiniger Boden, der mit staubiger, kaum knöchelhoher Phrygana spärlich bedeckt ist. Der Aussicht wegen erklimme ich die Anhöhe bis oben, aber die wüstenartige Umgebung lässt meine Motivation, bis zur Südspitze weiterzugehen, auf Null schrumpfen. Auf dem Rückweg bemerke ich eine ausgebleichte Grabstätte. Sie soll an die Gefahren des Ortes erinnern: Je nach Wind und Gezeitenstand kann die Sandbank rasch meterhoch überflutet werden. Beim Versuch, dann noch "eben schnell" zur Hauptinsel zurückzukehren, ist es in der Vergangenheit bereits zu Todesfällen gekommen.

Bis hierher hat mich mein Leben geführt [...]
immer dem Meere nah
Wenn die Sonne ihn atmen lehrt dort
Wo der Schatten einer Möwe erlischt
(Odysseas Elytis)

Auf dem Rückweg folge ich der Straße an der Westküste gen Norden und zweige zum Kloster Skiádi ab. Still liegt das Kloster in halber Höhe am Hang, nur ein einziger Pope ist zu sehen. Der kaum geschmückte Innenhof wirkt fast kasernenartig - ein krasser Gegensatz zum Erscheinungsbild des am Morgen besuchten Nonnenklosters. Auch hierher kommen die Besucher zur Verehrung einer wundertätigen Marienikone. Sie gilt als die wertvollste von Rhódos und ist bis auf die Gesichter vollständig von vergoldetem Silberblech bedeckt. Die üblichen Devotionalien beweisen die Kraft des Glaubens.

Auf dem Heimweg mache ich einen kleinen Abstecher zum Stausee, der sich in der Nähe des Dorfes Apolakkiá befindet. Im Ort selbst bemerke ich amüsiert, dass sich auf Rhódos selbst die einfache Landbevölkerung einen italienischen Sportwagen leisten kann. Der Stausee war offensichtlich einst als Sportzentrum und Naherholungsgebiet gedacht, worauf entsprechende Schilder hinweisen, die inzwischen verrostet, ausgebleicht und überwachsen sind. Übrig geblieben ist ein wichtiges Trinkwasserreservoir in einer stillen, unverbrauchten Natur. Schließlich kehre ich nach Líndos zurück.

Am Abend fällt es mir seltsam schwer, mich für ein Restaurant zu entscheiden, zu sehr ähneln sie einander. Alle haben die gleichen Karten, die gleichen Preise und jeder wirbt mit der schönsten Dachterrasse. Schließlich kehre ich im "Kalypso" ein, wo sich die Vorspeisenauswahl ein wenig von den Mitbewerbern unterscheidet. Ich nehme gebratene Pilze mit Knoblauch, später als Hauptgericht ein Kléftiko. Das aus Zypern stammende Gericht ist ein über Stunden im geschlossenen Tontopf langsam geschmortes Lammfleisch. Hier wird es zusätzlich mit Tomaten und Käse überbacken und in Begleitung von Röstkartoffeln, gedünsteten Möhren und Schmorgurken serviert. Keine typisch griechische Kombination, aber eine gelungene Abwechslung. Das unverzichtbare Mýthos erhöht die Rechnung auf gut 22 €, was mir für Ort, Qualität und Portionsgröße angemessen erscheint. Zusätzlich wird zum Dessert ein Zimtkuchen mit Creme und Orangenmarmelade kredenzt, der ebenfalls sehr gut schmeckt. Den Rest des Abends verbringe ich mit einem weiteren Bier im bereits gestern bewährten "Red Rose".

Lárdos:


Kloster Ipsénis:


Asklipío:


Prasonísi:


Kloster Skiádi:


Apolakkiá:


Líndos: