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Genau wie gestern haben wir für den Vormittag getrennte Aktivitäten vorgesehen: Strand für die Damen und Kultur-zu-Fuß-Programm für mich. Nach dem Frühstück spaziere ich nach Liménas, um die Sehenswürdigkeiten der kleinen Stadt zu erkunden. Von der Straße aus zurückblickend bemerke ich, wie schön unser Hotel am Fuß der bewaldeten Hügel in der kleinen Bucht gelegen ist.

In Liménas will ich zunächst die Hauptkirche des Ortes besichtigen, doch wird mir rasch bewusst, dass der Zeitpunkt dazu nicht gut gewählt ist. Es ist Sonntagmorgen, was bedeutet, dass gerade ein Gottesdienst stattfindet. Ein kurzer Blick in die überraschend kleine Ágios Nikólaos Kirche präsentiert sie mir brechend voll und unerträglich warm und stickig im Inneren. Immerhin hat der Pope eine außergewöhnlich schöne Singstimme, was durchaus nicht von jedem Popen behauptet werden kann.

Unmittelbar neben der Kirche erstreckt sich das Zentrum der antiken Stadt Thássos, die Agorá. Hier sind zwar keine sensationellen Reste zu bewundern, aber sehenswert ist das Gelände allemal. Zunächst fällt der Blick auf die charakteristischen Ruinen der Stoá. Etwas weiter finden sich die Überreste eines runden Stufenaltars, der zu Ehren Theogénes' errichtet wurde. Der antike Spitzensportler hat mit mehreren Olympiasiegen seiner Heimatinsel großen Ruhm eingebracht. Zahlreiche weitere Gebäude- und Tempelreste sind in der Anlage verteilt, die mit ihrem großzügigen alten Baumbestand wie ein kleiner Stadtpark wirkt. Am Ausgang erfreut die Farbenpracht blühenden Oleanders mein Auge.

Von der Agorá sind es nur wenige Schritte bis zum alten Hafen, der bereits in der Antike militärisch genutzt wurde. Hier sieht die Stadt aus, wie es sich der Postkarten-Photograph wünscht: Fischerboote dümpeln am Kai, gelbe Netze liegen davor auf dem Fußweg, Passanten flanieren über die Promenade, die von großen Platanen beschattet wird, unter denen sich wiederum Taverne an Taverne reiht. Griechenland fürs Bilderbuch!

Mein nächstes Ziel ist das antike Theater oberhalb der Stadt, welches schon bei der Ankunft von der Fähre aus zu erkennen war. Am Fuß des Treppenwegs ist eine Tafel angebracht, die darauf hinweist, dass das Theater bis Ende 2015 renovierungsbedingt geschlossen ist. Das ist zwar schade, aber ich hege die Hoffnung, dass die Aussicht davon nicht beeinflusst wird. Der Aufstieg verläuft fast vollständig unter Bäumen, dennoch ist der steile Weg bei den herrschenden Lufttemperaturen eine Herausforderung. 11 Uhr im August ist diesbezüglich durchaus mit 14 Uhr im Mai vergleichbar.

Man erreicht das Theater in Höhe der obersten Sitzreihen, die noch im Schatten liegen und demzufolge als Ruheplatz hervorragend geeignet sind. Der untere Bereich und die Bühne sind wie angekündigt abgesperrt, aber wer will schon alte Steine sehen, wenn einem so eine Aussicht geboten wird? Der Blick über die Stadt mit ihrem alten und neuen Hafen ist wunderschön und am gegenüberliegenden Ufer der Bucht ist sogar unser Hotel erkennbar.

Nach einer angemessen Regenerationsphase mache ich mich zum alten Kastro auf. Der Weg folgt jetzt dem Bergrücken und verläuft deutlich weniger steil durch den Kiefernwald. Gelegentlich gibt es unangenehme Stellen, an denen er steinig und eng zwischen dornigem Unterholz hindurchführt. Oben auf der Bergspitze befinden sich die Ruinen des mittelalterlichen Bauwerks, zwischen denen eine erfrischende Brise weht. Von einem Durchbruch in den alten Mauern hat man exakt den Blick, der einem von Dutzenden Postkarten in den Souvenirläden der Innenstadt schon bekannt vorkommt. Ihn selber zu erblicken ist gleichwohl jeden Tropfen Schweiß wert!

Dort entrollte sich die breite, schimmernde Bucht unter dem vollkommenen Himmel zu einem Präsentierteller aus Silberflocken.
(Lawrence Durrell)

An dieser Stelle muss ich mich entscheiden: Weiter dem Bergrücken folgen und dabei die Stadt im weiten Bogen umrunden oder zurück zum Theater, um von dort entlang der antiken Stadtmauer hinab zum alten Hafen zu gelangen. Angesichts des hohen Sonnenstands entscheide ich mich für die weniger anspruchsvolle zweite Alternative. Eine gute Entscheidung: Der Weg entlang der Stadtmauer ist nicht nur angenehm zu gehen, sondern auch sehr interessant. Die Bauart der Mauer demonstriert eindrucksvoll die Fähigkeiten der antiken Steinmetze. Es ist bis heute nicht endgültig geklärt, wie diese es schafften, die riesigen Steinblöcke trotz der beliebig unregelmäßigen Formen so millimetergenau aneinander zu passen, dass sie Jahrtausende voller Erdbeben unbeschadet überstehen konnten.

Am Ende des Weges markiert die kleine, auf den Fundamenten eines antiken Tempels errichtete Dío-Apóstoli-Kapelle das Nordost-Kap der Insel. Hier macht der Weg eine scharfe Wendung nach links und führt dann geradewegs - vorbei an einigen Ausgrabungsstellen - zurück zum alten Hafen. Neben dem Wahrzeichen der Stadt, dem ehemaligen Verwaltungsgebäude der Áthos-Klöster, erstehe ich bei einem Bauern eine Honigmelone. Da ich nicht auf die paar Cent Wechselgeld bestehe, gibt er mir zwei Gurken obendrauf. Trotz aller Krise: Almosen wollen sie nicht - so sind sie, die Griechen!

Anschließend setze ich mich in ein schön zwischen Hafen und Stadtstrand gelegenes Café und ruhe mich bei einem Kafé frappé aus, bevor ich zum Hotel zurück spaziere. Dort suchen wir für einen Snack wiederum das hoteleigene Restaurant auf und genießen eine gemischte kalte Vorspeisenplatte und eine Portion Gávros. Nach der Siesta verbringen wir den Rest des Nachmittags gemeinsam am Strand.

Am Abend wird als Vorspeise eine sehr leckere Gemüsesuppe serviert, dann folgt ein gebackenes Schollenfilet mit einem griechischen Salat sowie als Nachspeise ein Stück Kuchen. Dazu teilen wir uns eine Flasche kretischen Weißweins. Müde und viel zu satt falle ich bald ins Bett.

Nistéri:


Liménas:


Liménas - Agorá:


Liménas - Alter Hafen:


Liménas - Antikes Theater:


Liménas - Stadtrand:


Liménas - Alter Hafen: