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Heute verlasse ich die Hauptstadt und wende mich nach Westen. Zunächst durchquert die Autobahn eine trockene, langweilige Ebene, dann geht es auf gut gepflegten Straßen langsam in die Berge, zuerst noch sanft hügelig, später zunehmend gebirgiger werdend. Je weiter ich komme, desto üppiger und grüner wird der Bergwald, desto kurviger die Straßen und desto schöner die Lage der Dörfer an den grünen Hängen. Das Straßennetz ist vorbildlich, selbst die Nebenstrecken im Gebirge sind gut beschildert und in einwandfreiem Zustand. So erreiche ich mein erstes Etappenziel, das Kloster Kýkkos bereits kurz vor 11 Uhr. Das Kloster, auf über 1100 Meter Höhe inmitten der einsamsten Region des Tróodos-Gebirges beheimatet, ist Ziel zahlreicher Besucher. Die Reisebus-Parkplätze, Souvenirshops und ein großes Gästerestaurant sprechen eine deutliche Sprache.

Der Andrang ist verständlich: Kloster Kýkkos ist nicht nur das größte, mit Abstand reichste und politisch mächtigste Kloster Zyperns, sondern zusätzlich im Besitz einer Marienikone, die der Evangelist Lukas noch zu Lebzeiten der Gottesmutter gemalt haben soll - sozusagen ein authentisches Portrait. Und selbstverständlich ist sie wundertätig! Auch wenn die Ikone nie öffentlich zu sehen ist, eine solche Aura lockt viele Besucher an! Auch davon abgesehen ist das Kloster einen Besuch wert: Über den großen Vorhof betritt man die Anlage, dann führt ein schmaler Gang weiter ins Innere. Der gesamte Komplex ist in einem exzellenten Zustand, die Wände der Arkadengänge und Flure sind verschwenderisch mit großflächigen Mosaiken und Bildern geschmückt. Insgesamt habe ich eher den Eindruck, in einem Schloss statt in einem Kloster zu sein, so reich und prunkvoll ist die Ausstattung. Die 15 Meter breite Ikonostase ist aus purem Gold, genau wie eine große Anzahl von Schreinen in der angrenzenden Reliquienkammer. Und dabei befinden sich die eigentlichen Schätze erst im klostereigenen Museum. In diesem Augenblick verstehe ich die Idee, die orthodoxe Kirche könnte dem Inselstaat durchaus aus seiner Finanzkrise helfen...

Nach der Besichtigung fahre ich nur eine kurze Strecke bis Pedoulás, einem lebhaften Bergdorf, in dem mich die Panoramaterrasse des "Mountain Rose Hotel" zu einer Mittagspause einlädt. Ich ordere Afélia, in Wein geschmortes Schweinefleisch mit zerstoßener Koriandersaat, das mit Bulgur und Pommes serviert wird. Mit einem KEO-Bier wird die original zyprische Mahlzeit perfekt. Da die Bierflasche ungewöhnlich groß ist (0,63 l), habe ich einen guten Grund, nach dem Essen eine Zeitlang sitzen zu bleiben und die Aussicht zu genießen. Vom Ort klingt fröhlicher Lärm herauf, Jubel, Böller, Autohupen und laute Trommeln. Ob es sich um vorgezogene Osterfeierlichkeiten handelt? Wohl eher um eine Taufe.

"... und dann Trommeln, Trommeln in der Tiefe"
(John Ronald R. Tolkien)

Der Ort gefällt mir sehr. Trotz der Höhe von über 1000 Meter wachsen hier überall Kirschbäume und Wein, das Essen war gut und preiswert (13 €) und die Bergluft herrlich erfrischend. Ich überlege, ob ich hier nicht über Nacht bleiben sollte, aber meine Sehnsucht nach dem Meer treibt mich schließlich zur Weiterfahrt.

Von Pedoulás aus fahre ich zunächst weiter bergauf, über den 1800 Meter hohen Olýmpos-Pass, dann geht es bis zur Südküste stetig bergab, wobei die Landschaft wieder zunehmend trockener, brauner und karger wird. Schließlich erreiche ich Páfos, das Zentrum der touristischen Region im Südwesten Zyperns. Auf vielen Kilometern ist die Küste mit Hotelanlagen bebaut, die komplette Infrastruktur ist auf die Bedürfnisse der Gäste ausgerichtet - ein Vergleich mit der türkischen Riviera liegt nahe. Der Ort ist mir nicht auf Anhieb geheuer, zu groß ist der Unterschied zu den sonst von mir bevorzugten Plätzen. Das Hotel "Dionisos" trägt später ganz wesentlich zu meinem Entschluss bei, hier zu bleiben, denn es hat Charme, ein schönes Zimmer, Frühstücksbüfett, einen Pool und das alles für 55 €. Ich buche zwei Nächte.

Inzwischen steht die Sonne nicht mehr ganz so hoch am Himmel, sodass sich eine Besichtigung des archäologischen Parks anbietet, welcher sich ortsnah am Ende der belebten Promenade befindet. Weltbekannt sind die römischen Mosaike, die erst in den 1960er Jahren hier entdeckt wurden und zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören. Das Prunkstück der Ausgrabungen ist ein 2000 m² großes Atriumhaus, in dem über ein Viertel der Räume mit exquisiten Mosaiken ausgestattet war. Jedes ein Unikat: Graphische Ornamente, Kompositionen mehrerer Einzelbilder, zahlreiche mythologische Darstellungen, vorwiegend im Umfeld des Dionysos (der Hausherr war wohl Weinliebhaber) oder Jagdszenen. Die Vielfalt und Qualität der Mosaike ist wahrlich beeindruckend. Da geraten die fotogenen Doppelbögen der mittelalterlichen Festungsruine Saranda Kolones beinahe ins Abseits.

Am Abend verspüre ich erstaunlicherweise keinen Hunger, also schlendere ich durch die voller werdenden Straßen. Engländer stellen die größte Gruppe der Touristen, gefolgt von Russen. Positiver Effekt ist, dass Bier hier deutlich preiswerter ist, als im Land sonst üblich. Ein solches gönne ich mir auf der Promenade. Die dazu servierte Schale mit Knabbergebäck gleicht das fehlende Essen fast vollständig aus.

Ab 22:30 Uhr bemerke ich die Menschen zunehmend in Richtung der Ortskirche strömen. Die Gelegenheit, eine orthodoxe Osternachtsfeier mitzuerleben, will ich nicht verpassen, schließlich habe ich den Termin der Reise absichtlich so gewählt, dass dies möglich ist. Das große Osterfeuer mit der Strohpuppe, die den Tod symbolisiert, wird entzündet, gleichzeitig beginnen die Jugendlichen hinter der Kirche mit einem teilweise erschreckend lauten Feuerwerk. Schon bald reicht die Kapazität der Kirche nicht mehr aus, um die Menschenschar aufzunehmen und der freie Platz vor und um die Kirche füllt sich zunehmend. Ununterbrochen wird der Sprechgesang des Popen per Lautsprecher nach draußen übertragen.

Zehn Minuten vor Mitternacht bringt ein Messdiener das Licht der Osterkerze zu den wartenden Massen, mehrere tausend Personen sind inzwischen versammelt. Die Flamme wird von Einem zum Anderen weitergegeben. Es ist ein bewegender Anblick, wie sich die Lichterfront langsam ausweitet und schließlich die gesamte Menschenmenge umfasst. Punkt Mitternacht dröhnt aus den Lautsprechern der Ruf "Christos anesti!" (dt. "Christus ist auferstanden!") - was ein erlösendes Raunen unter den Gläubigen bewirkt. Wie auf Kommando wird die Stimmung spürbar fröhlicher, man umarmt sich, küsst sich, ruft sich "Christos anesti!" zu - eine mitreißende Atmosphäre, bei der eine Gänsehaut nicht ausbleibt!

Da wir ja im Zeitalter der Photographie leben, bringt es zum Halten:
Das was neben uns unentwegt mit unglaublichen Gesten wirkt: Das Unbegreifliche!
(Odysseas Elytis)

Um 0:15 Uhr ist der Gottesdienst beendet und die Gläubigen tragen vorsichtig die brennenden Kerzen nach Hause. Sogar der Concierge meines Hotels bekommt eine auf den Empfangsschalter gestellt.

Tróodos-Gebirge:


Kloster Kýkkos:


Pedoulás:


Páfos:


Páfos - Archäolog. Park:


Osternacht-Feier: