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Der letzte Tag der Reise steht ganz im Zeichen der Inselhauptstadt. Das Frühstücks-Buffet enttäuscht nicht, es erfüllt zwar nicht ganz internationale Standards, punktet dafür aber mit einem auf 300°C geheizten Sandbad, um sich in traditionellen Messingkännchen einen griechischen Mokka nach eigenem Gusto zu bereiten oder bereiten zu lassen - ganz nach Wunsch.

Chalkída zählt mit ungefähr 60.000 Einwohnern zu den zehn größten Städten des Landes. Nach einem ersten Stadtbummel komme ich zu der Erkenntnis, dass die Stadt genauso hässlich ist, wie fast alle griechischen Großstädte. Und genau wie diese zieht Chalkída ihren eigenen Charme aus den Gegensätzen. Da findet sich das hochpreisige Delikatessengeschäft oder der gestylte Ray-Ban-Sonnenbrillenshop zu beiden Seiten von verfallenden Ruinen flankiert, oder - mein Favorit - das Fisch-Geschäft unmittelbar neben dem Kleintierladen. Und dass sich der wirklich schöne Camel-Store mit verlockender Freizeitmode in einer abgehalfterten Seitengasse versteckt, gibt es vermutlich auch nur in Griechenland.

Am Ende der Innenstadt-Durchquerung lande ich an einem gepflegten kleinen und überraschend schönen Stadtstrand. Von dort aus halte ich mich so nah wie möglich am Meer, um wieder ins Zentrum zurück zu finden. Auf dem Weg komme ich nicht nur an weiteren einladenden kleinen Stränden vorbei, sondern auch an dem schön gelegenen Hafen des "Nautical Club", der auch einigen Fischerbooten Unterschlupf gewährt. In einer weiteren Bucht hat sich die alte Panagitsa-Kirche versteckt, die kleine Schätze beherbergt: Wertvolle alte Ikonen und einen hölzernen Ambo, dessen phantastische Perlmutt-Intarsien mich begeistern. Schließlich erreiche ich das sogenannte "Rote Haus", eine Stadtvilla aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert, die den Beginn der Promenade markiert.

Dieser folge ich bis zum Iroon-Platz, an dem die Hauptkirche Ag. Nikolaos liegt, welche eine besonders prächtige silberne Altarwand aufweist. Dann wende ich mich nach Süden, vorbei an der Militärakademie, einem großzügigen, sehr gepflegten Gelände, dem man ansieht, dass der Etat des Verteidigungsministeriums von den Haushaltskürzungen nicht betroffen ist. Gegenüber liegt der Yachthafen, für den das Gleiche gilt - hier liegen die nicht gezahlten Steuern...

Dann gehe ich wieder in das Stadtzentrum hinein und finde in der Nähe der byzantinischen Ag. Barbara-Kirche die alte Emir-Zade-Moschee eher zufällig, da diese vom Stadtplan genauso totgeschwiegen wird, wie das Gelände der Militärakademie. Die Moschee ist die letzte von elf, die es einst in der Stadt gegeben hat. In ihrem Hof lagern archäologische Artefakte und im Inneren sind Renovierungsarbeiten im Gang, da die Moschee später als Ausstellungshalle genutzt werden soll. Falls das Geld für die Renovierung ausreichen sollte, wie ein Mitarbeiter mich wissen lässt.

Vom Zentrum wende ich mich nach Westen, überquere die Meerenge über die Alte Brücke und befinde mich somit auf dem griechischen Festland. Auf dieser Seite ist die Stadt wesentlich ruhiger. Zuerst spaziere ich die Uferstraße entlang bis zum Fischmarkt. Die hier herrschende Ruhe überrascht mich nicht, denn es ist inzwischen Mittag und die letzten Kühlwagen verlassen eben die Markthalle, in der bereits aufgeräumt wird. Der Fischerhafen nebenan bietet trotzdem einen schönen Anblick. Dann geht es steil bergauf, denn weiter oben befindet sich die große Evangelistria-Kirche, von deren Vorplatz ich - wie erhofft - einen sehr schönen Blick auf die gegenüberliegende Stadt habe. Ich werde mir meines Hungers, Dursts und müder Füße bewusst.

Geh an Orte, wo die Einheimischen sich treffen, trinken, über Gott und die Welt diskutieren [...].
Kaufe eine Zeitung, sitze einfach da, und schaue dem Kommen und Gehen zu.
(Paulo Coelho)

Gegen alle drei Übel habe ich die Lösung parat: An der Uferstraße war mir bereits vorhin das Mezedopolío "Ta Kaïkia" einladend aufgefallen. Dort bestelle ich eine Tsípouro-Mesédes und lasse mich überraschen. Das Ergebnis ist durchweg erfreulich: Es gibt zwei Scheiben Röstbrot, je einmal mit Tsatsíki und Galotíri, vier frisch gegrillte und ein gebratenes Fischchen, etwas Gurke, Oliven und zwei kleine Stücke eingelegten Kalmar - und einen großzügig eingeschenkten Tsípouro. Angesichts der Qualität des Essens und der Lage des Lokals sind die geforderten 7 € angemessen.

Die Tsípouro-Portion hat mich etwas träge gemacht und so schaffe ich es mit letzter Kraft, die Straße zu überqueren und mich an den direkt darunter befindlichen Strand zu schleppen. Hier kann ich meine Füße im Meer kühlen und mich für die nächsten beiden Stunden zur Siesta in den Schatten legen.

Gut erholt und mit frischer Kraft geht es am Nachmittag wieder den Hügel hinauf. Der Fußweg ist von großen, teilweise blühenden Kakteen gesäumt und lässt hin und wieder einen Blick auf die Stadt zu. Mein Ziel ist die Festung Karababa. Sie befindet sich auf dem höchsten Punkt des Hügels und diente einst den Venezianern, später den Türken zur Überwachung der strategisch wichtigen Meerenge. Da man sich ein gutes Stück höher als die Evangelistria-Kirche befindet, ist der Blick noch schöner. Das nenne ich Glück, dass das Wetter heute mitspielt, aber leider ist der perfekte Panoramablick durch Bäume beeinträchtigt. Dennoch gefällt es mir hier, ich mag einfach diese stillen dicken Mauern, in deren windlosem Inneren sich der Duft sommerheißer Pinien mit dem schwermütigen Odem jahrhundertealter Geschichte mischt. Wenn man den Wachgang an der Außenmauer entlang wandelt, ist man für jede Schießscharte dankbar, denn durch diese weht eine erfrischende Brise von draußen herein. Und außerdem hat man von zahlreichen Stellen eine tolle Aussicht!

Nach der Rückkehr in den Ort habe ich mir eingedenk der heutigen Fußmärsche und der sommerlichen Temperaturen einen Kafé frappé redlich verdient, weshalb ich in eines der schicken Cafés an der Promenade einkehre und dort den letzten schönen Spätnachmittag noch lange genieße. Zum Essen gehe ich am Abend wieder in ein Grillrestaurant und nehme Melitsanosaláta, ein Brizóla Moscharísia und eine Flasche Malamatina-Retsína. Das fast 400 Gramm schwere Beefsteak ist etwas zu sehr durch, aber ansonsten ausgezeichnet, so dass ich vom Gesamtpreis von 14,30 € angenehm überrascht bin.

Zu guter Letzt hat die Stadt noch ein schönes Spektakel zu bieten. Um einige Segelyachten und kleinere Frachter passieren zu lassen, wird die Alte Brücke geöffnet. Einen solchen Mechanismus wie hier habe ich bisher nicht gesehen: Nachdem die Geländer umgeklappt sind, wird die Fahrbahn zunächst um einen knappen Meter abgesenkt und dann unter den Brückenkopf gezogen. Während der halben Stunde, in der die Brücke gesperrt ist, sammeln sich Hunderte von Fußgängern und Zweiradfahrern vor dem Absperrgitter. Nach der Wiedereröffnung geht es mit Gejohle und Hupkonzert voran - jeder will der Erste sein. Eine typisch mediterrane Stimmung!

Chalkída (Inselseite):


Chalkída (Festlandseite):


Chalkída (Meerenge):