Makedonien / Épirus 11.05.2011

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Das Wetter macht von Tag zu Tag kleine Fortschritte, es ist zwar ziemlich frisch, aber recht freundlich und der böige Wind hat sich fast völlig gelegt. Es ist immerhin angenehm genug, um zum Frühstück eine Spanakópita auf einer sonnenbeschienenen Bank mit Blick auf den See einzunehmen. Wie das Wetter in der Zagória, also "hinter den Bergen" sein wird, vermag ich jedoch nicht einzuschätzen.

Ist es anstrengend, immer unterwegs zu sein? Nein - ich bitte sie. Da draußen gibt es Dinge, die wollen gesehen werden.
(Karl Lagerfeld)

Mein erstes Ziel für den heutigen Tag ist die Stadt Kónitsa. Kaum habe ich die Ebene, die sich nördlich von Ioánnina erstreckt, hinter mir gelassen, kaum die grünen Hügel erklommen, die von üppig wuchernden Wäldern bedeckt sind, kaum tauchen die schroffen Berge der Zagória auf, schon ist die Faszination, die ich bei meinem ersten Besuch hier empfunden habe, sofort wieder da. Von der Passhöhe ist der Blick auf die Ebene, wo Aóos und Voidomátis zusammenfließen, wunderschön.

Bevor ich in die Stadt fahre, besichtige ich die Steinbogenbrücke aus türkischer Zeit. Die zerbrechlich wirkende Konstruktion trotzt seit 140 Jahren Wind, Wetter und Erdbeben und wird noch immer verwendet. Just in dem Moment als ich eintreffe marschiert ein Mann mit einem Esel über die Brücke. Ich frage mich, welches Ziel er haben mag. Später am Tag werde ich die Antwort darauf erhalten.

Einige Serpentinen später erreiche ich den Ortskern. Kónitsa ist ein wichtiger Handelsplatz für die umliegende Landbevölkerung und die Albanien am nächsten gelegene griechische Stadt, nur zehn Kilometer sind es bis zur Grenze. Am großen zentralen Ortsplatz beeindruckt der Anblick des nahe gelegenen Berges Týmfi mit seinen schneebedeckten Gipfeln. Hier gefällt es mir, es ist genug Leben in der Stadt, dass es nicht langweilig wird und das Wetter ist freundlich genug, um sich einen heißen Kaffee unter einer großen Platane am Rande des Platzes zu genehmigen.

Ein Dorf voller Leben und ein Stück Erde, von Gott gesegnet.
(Nikos Themelis)

Leider dauert es nicht lange, bis sich die Wolken verdichten und es mir zum Sitzen zu kühl wird. In den kleinen Geschäften decke ich mich mit Proviant ein und nehme mein zweites Tagesziel in Angriff. Dazu fahre ich zurück zur Brücke, stelle meinen Wagen ab und beginne eine kleine Wanderung auf dem Weg, der am Aóos entlang in die Berge führt. Unterwegs beginnt es leicht zu regnen und ich bin unsicher, ob meine Ausrüstung wetterfest genug ist. Da werde ich von einem jungen Paar überholt, das nicht besser ausgerüstet ist als ich, was mich zu dem Entschluss bringt: Was die können, kann ich auch.

Während der ersten Stunde führt der Weg immer am Fluss entlang, immer unter Bäumen, mit leichtem Auf und Ab angenehm zu gehen. Dann wendet er sich vom Fluss ab, beginnt anzusteigen und führt hinauf in die Berge. Nach kurzer Zeit taucht hoch über mir das Kloster Stómios auf, nach einer weiteren halben Stunde steilen Anstiegs ist das Ziel erreicht.

Das Kloster ist bewohnt. Ein sehr alter, rüstig wirkender Mönch lebt hier in der Einsamkeit. Außer ihm treffe ich hier das Pärchen wieder, das mich überholt hat und den Mann mit dem Esel, der heute morgen die Brücke überschritten hatte. Er ist damit beschäftigt, Reparaturen an einer Steinterrasse des Klosters durchzuführen. Es ist ein im wörtlichen Sinne überragender Arbeitsplatz, denn das Kloster liegt auf einem Felsvorsprung senkrecht über der Schlucht des Aóos. Der höchste Punkt des Klosters ist eine Aussichtplattform, hier ist man wahrhaft nah bei Gott, direkt jenseits der Brüstung geht es 200 Meter fast senkrecht hinab. Vom Grund der Schlucht dringt das laute Rauschen des wilden Aóos hinauf. Ein phantastischer Ort, an dem ich hier stehe, der Ausblick entschädigt für den Schweiß des Aufstiegs und für den Muskelkater, den ich sicherlich morgen haben werde.

Ich war die Felsen hinaufgeklettert, um bei diesem entrückten Asketen zu beichten; doch ich erkannte jetzt, es war noch zu früh. Mein Leben hatte sich noch nicht ausgetobt, ich liebte die sichtbare Welt.
(Nikos Kazantzakis)

Im Bogengang der Kirche lege ich eine ausgedehnte Ruhepause ein, stärke mich am mitgebrachten Proviant und besichtige das Kloster, dessen sämtliche Gebäude von innen wie von außen in einem hervorragenden Zustand sind. Unglaublich, mit welchem Aufwand die dazu notwendigen Baumaterialien hierher geschafft werden!

Der Rückweg ist ein wahrer Genuss, die Sonne kommt hervor, aber im Schatten der Bäume wird es nie unangenehm warm. Jetzt kann ich auch die Landschaft mehr genießen, das Tal des Aóos ist wirklich bildschön.

Kaum habe ich mein Auto erreicht, bricht ein heftiges Gewitter los, das unbemerkt hinter den Bergen aufgezogen war. Über eine Nebenstrecke fahre ich nach Arísti, wo ich in einem gemütlich rustikalen Café als Augen- und Ohrenzeuge die Naturgewalt eines Gewitters am Astráka erleben kann - oh, ist der Mensch klein! Ich warte das Unwetter ab, das genauso plötzlich verschwindet, wie es aufgezogen war und die Sonne wieder strahlend hervorkommt.

Über die gewundene Straße fahre ich hinab ins Tal, wo eine schmale Brücke den Voidomátis überspannt. Für mich hat diese Stelle eine besondere Magie. Vor sechs Jahren beschrieb ich es so: "Weißer Sandstrand flankiert den kristallklaren Fluss, der sich unter den üppig grünen Bäumen schlängelt, wobei das eiskalte, trinkbare Wasser des Voidomátis so intensiv türkisblau schimmert, dass es schon fast unwirklich erscheint."

Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Ich glaube fest daran, dass gute Erinnerungen wiederholt werden sollten.
(Clive Cussler)

Als Folge des nassen Frühlings führt der Fluss deutlich mehr Wasser als damals, so dass ich - auf den Wurzeln der Platane sitzend - mit den Füßen im Wasser planschen kann, allerdings nur solange, bis das nächste Gewitter aufzieht. Ungeachtet des Wetters bereitet sich eine Gruppe tschechischer Kajakfahrer auf eine rasante Wildwassertour vor. Ich verzichte bei dieser Witterung auf eine Weiterfahrt nach Pápingo und beginne den Rückweg nach Ioánnina. Nur eine Herde Kühe, die sich dazu entschlossen hat, ihre Kälber auf der Straße zu säugen, verzögert kurzfristig die Fahrt. Selbst Hupen und Anstupsen mit der Stoßstange zeigen keine Wirkung, erst als der Hirte eintrifft, macht die sture Herde widerwillig die Fahrbahn frei.

In Ioánnina scheint wieder die Sonne, aber große Pfützen auf den Straßen zeigen, dass dies auch hier nicht den ganzen Tag der Fall war. Vor dem Abendessen setze ich mich an den See und genieße die angenehm warmen Strahlen der Abendsonne. Zum Essen gehe ich - wie gestern - ins "Ivi". Heute ist Psarósoupa im Angebot, eine Fischsuppe, die mit ihrer reichhaltigen Kartoffel-, Sellerie- und Möhreneinlage zu einer durchaus nahrhaften Sache wird. Die Suppenbasis wird in Gestalt von zwei großen Stücken Heilbutt auf einem extra Teller serviert. Die Portion ist so bemessen, dass ich mir ein weiteres Gericht spare und dadurch heute mit knapp 11 € inclusive Mythos auskomme.

Den Heimweg zum Hotel verbinde ich mit einem Bummel durch die gemütlichen Gassen der Altstadt.

Ioánnina:


Kónitsa:


Aóos-Tal:


Kloster Stómios:


Aóos-Tal:


Týmfi-Massiv:


Arísti:


Voidomátis:


Ioánnina: