Man sollte im Leben nicht zu früh nach Griechenland kommen,
sonst sieht man nichts anderes mehr von der Welt.
(N. N.)
Ich wollte in diesem Jahr nicht nach Griechenland fliegen. Ich spielte mit den Gedanken, den Puls Lissabons zu spüren, den Duft der Toskana zu atmen oder die legendären Naturparks Kroatiens zu besuchen - es geht nicht. Wer einmal die Frühlingssonne Griechenlands erlebt hat, wird es verstehen.
Aber in diesem Jahr ist alles anders: Während in Deutschland seit Wochen ein stabiles Frühlingshoch das Wetter bestimmt, versinkt die gesamte Mittelmeerregion in kaltem Regen. Zum ersten Mal ist mein Reisegepäck um Jacke, Schirm und Bücher ergänzt, denn die Meteorologen haben für die nächsten Tage keine durchgreifende Besserung vorhergesagt.
Mit entsprechend gemischten Gefühlen beginne ich die Reise am Flughafen Köln-Bonn. Aber als ich im Wartebereich des Fluges 4U652 nach Thessaloníki überall um mich herum griechisches Stimmengewirr vernehme, gewinnt die Vorfreude langsam die Oberhand. Während im Flugzeug ein kleiner Imbiss serviert wird, habe ich eine hervorragende Aussicht auf Süddeutschland und Österreich: Der Chiemsee mit dem markanten Schloss auf der Insel, der Königssee, das Tal der Enns und die schneebedeckten Alpen gleiten dahin. Der Balkan ist unter einer dichten Wolkendecke verborgen, erst kurz vor der Landung reißt diese auf und als wir Thessaloníki pünktlich erreichen, scheint die Sonne bei angenehmen 20°C. Mein Koffer kommt sofort und so bin ich einer der Ersten am Mietwagenschalter und bekomme die Schlüssel für einen - weit über der gebuchten Klasse liegenden - schwarzen Citroën C4.
Die sonntäglichen Verkehrsverhältnisse erlauben ein zügiges Vorankommen, so dass ich Véria, mein erstes Etappenziel, gegen 16:30 Uhr erreiche. Die Stadt liegt schön an den Hängen des Vérmion-Gebirges und vom Ortszentrum hat man einen weiten Blick über die zentralmakedonische Tiefebene. Die zahlreichen Cafés, die den gepflegten Platz umgeben, laden mich unwiderstehlich zum ersten Kafé frappé dieses Urlaubs ein. Noch bevor ich irgendetwas bestelle, bekomme ich ein Glas frisches Wasser serviert, ein immer wieder erfreuliches Zeichen alter Gastfreundschaft.
Nie habe ich so viel Wasser getrunken, wie hier im Lande des Weins.
(Erhart Kästner)
Nach diesem vielversprechenden Start ist ein Stadtrundgang angesagt. Für einen Sonntagnachmittag ist es recht lebhaft, die Cafés sind gut besucht, sogar einige Geschäfte haben geöffnet. In der neuen Hauptkirche, die dem heiligen Nikolaus geweiht und traditionell üppig ausgestattet ist, wird eine Hochzeit vorbereitet. Nebenan, im Garten des archäologischen Museums, lagern hunderte unklassifizierte antike Fundstücke. In der ein wenig höher gelegenen Altstadt das übliche Bild: Neben schön restaurierten Wohnhäusern findet sich viel Verfall und manch alte byzantinische Kirche ist auf pittoreske Weise in die Neubauten integriert. Am oberen Stadtrand quartiere ich mich für zwei Nächte im Hotel "Véroi" ein, für 40 € pro Nacht ist das Zimmer gerade eben akzeptabel.
Am Nachmittag hatte ich bereits ein Restaurant entdeckt, das ich für das Abendessen auserkoren habe. Der Leitspruch des "Kusina" lautet "Zeitgemäße Küche mit Herz" und trifft es genau: Der junge Koch variiert klassische griechische Küche auf moderne Art. Ich bekomme über Kohle gegrillte Austernpilze mit frischen Kräutern und kretischem Schinken, anschließend Biftéki, welches mit Féta, Tomaten und mildem Schinken gefüllt ist. Dazu werden frische Pommes und ein gemischter Rot-/Weißkohlsalat mit einem Balsamico-Dressing serviert. Genial! Die Nachspeise geht aufs Haus: Eine Erdbeer-Cremeschnitte, dekoriert mit frischen Erdbeeren und Schokoladensauce. Das stilvoll-rustikale Ambiente des Restaurants passt perfekt zum Essen. Zusammen mit zwei Flaschen Mythos-Bier will man am Ende lediglich 19 € von mir haben, also kaum mehr als in jeder beliebigen 08/15-Touristenkaschemme. Ich bin begeistert und beschließe, morgen Abend wieder hier einzukehren.
Während des Essens kündigten bereits ein erster Regenschauer und ein deutlicher Temperatursturz das schlechte Wetter an. Auf dem zentralen Elias-Platz finde ich eine überdachte und dadurch trocken gebliebene Bank für eine kleine Verdauungspause und schlendere schließlich kreuz und quer durch die Innenstadt zum Hotel zurück. Ein guter erster Tag!