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Nun war alles wieder gut, und alles einzelne erfuhr wieder einmal seine kleine Himmelfahrt im Jubel des Lichts.
(Erhart Kästner)

Das Wetter am Morgen löscht jede Erinnerung an das Schmuddelwetter vom Vorabend aus. Auf dem Programm steht mein "Dritter-Tag": Das dritte Kloster, die dritte archäologische Stätte und den dritten Traumstrand will ich heute im Rahmen einer Ost-Kreta-Rundtour besuchen. Ich beginne mit dem Kloster. 20 Kilometer östlich von Sitía befindet sich das Kloster Toploú, das wie Préveli und Arkádi auf eine Vergangenheit zurückschaut, die von politischem und militärischem Widerstand mindestens genauso geprägt ist, wie vom religiösen Geistesleben.

Wie viele andere Klöster befindet sich auch Toploú in extremer Einsamkeit. Wäre es kein Kloster, wäre "gottverlassen" die treffendste Bezeichnung. Inmitten einer steppenähnlichen Hügellandschaft erheben sich seine starken Mauern und signalisieren seit alters her jedem unfreundlich gesonnenen Besucher: Bleib draußen! Kleine Fenster wie Schießscharten und ein Name, der sich von türkischen Wort für "Kanone" (türk.: top) ableitet, sagen schon alles. An die Fähigkeit der kompromisslosen Selbstversorgung erinnert die Windmühle mit ihrem gut erhaltenen Mahlwerk unmittelbar vor dem Eingang. Wie bei einer Ritterburg tritt man zuerst in einen äußeren Hof und von diesem durch ein mächtiges Tor, welches von einer Pechnase im Kirchturm gesichert ist, ins Innere. Drei Stockwerke hoch drängen sich die Kirche und die Zellen um den schön restaurierten, mit Kieseln gepflasterten kleinen Hof.

Wer den Himmel nicht in sich trägt
Sucht ihn vergebens im ganzen Weltall.
(Carl Sonnenschein)

Was mich her gelockt hat, ist jedoch nicht alleine das Gebäude oder seine Geschichte. Toploú ist bekannt für seine Ikonen, allen voran die Großikone "Megas Ei, Kyrie" (Groß bist Du, Herr), die es streng genommen gar nicht geben dürfte, da nach der reinen Lehre die Darstellung Gottes oder des Heiligen Geistes nicht erlaubt ist. Eigentlich bin ich nicht gerade als Ikonen-Fan bekannt, aber dieses knapp einen Quadratmeter messende Meisterwerk aus dem 18. Jahrhundert kombiniert mehr als 60 Szenen des Alten und Neuen Testaments mit fast 1000 Personen zu einer genialen Gesamtkomposition. Von Kains Brudermord über die Arche Noah, über Geburt und Taufe Jesu bis zur Auferstehung sind alle Szenen kunstvoll durch Wasser verbunden. Die Detailgenauigkeit, die bis in den Submillimeter-Bereich geht, ist unglaublich. Der Künstler muss die Farbe mit einem einzelnen Ziegenhaar aufgetragen haben. Ein halbe Stunde benötige ich, um alle Facetten der Ikone zu betrachten. Die anderen Schätze des Klosters treten dagegen - zu Unrecht - in den Hintergrund.

Je weiter man sich der Ostküste nähert, desto unwirtlicher wird die Landschaft. Symbolträchtig huscht eine Schlange über die Fahrbahn. Nur in den Tälern, in denen Bäche von verborgenen Quellen gespeist werden, wächst frisches Grün. Eines davon, mit dem anmutigen Namen "Schlucht der Toten" hat die Menschen schon seit der Bronzezeit angelockt. Oasengleich liegt Káto Zákros am Ausgang des Tals. Hier befindet sich der kleinste der fünf bekannten minoischen Paläste auf Kreta, der sich jedoch mit wundervollen Fundstücken einen Namen gemacht hat, da er niemals geplündert wurde.

Hier, wo über Agaven und Felsen einsamer Blick weht
Wo die Schritte der Zeit tief erklingen [...]
Sag mir, woher die Ewigkeit kam
(Odysseas Elytis)

Ganz anders als in Agía Triáda ist die Ausgrabungsstätte vollkommen schattenlos. Gut, dass ihre Größe relativ überschaubar ist. Auffallend ist hier die Anzahl von wasserverbundenen Bauwerken: Mehrere Zisternen, Quellbecken und Lustralbäder sind gut erhalten. Überall, wo sich auch heute noch das Grundwasser sammelt, sind diese Becken von zahlreichen Wasserschildkröten bevölkert. In dieser kargen, trockenen Umgebung ist der Wasserreichtum besonders beeindruckend.

Zur Mittagszeit freue ich mich darüber, dass am Strand eine Handvoll Tavernen zur Erquickung der Besucher bereitsteht. Im Schatten von Bambusdächern und Tamarisken wirken eine Flasche gut gekühltes Wasser und eine große Portion griechischer Salat wahre Wunder. Eine leichte Brise vom Meer und sanftes Wellenrauschen tun ihr Übriges zum Wohlbefinden. Am Nachbartisch, wo sich eine Runde griechischer Frührentner eingefunden hat, packt später einer eine Tsamboúna aus, eine zugenähte Ziegenhaut, an deren Beinansätzen ein Mundstück und zwei Flöten eingesetzt sind: Ein klassischer einfacher Dudelsack. Das ist Musik, die nicht für Touristen gemacht ist. Auch der anwesende kleine Hund kläfft minutenlang gequält.

Nach einer sehr ausgedehnten Mittagspause fahre ich in Kretas äußerste Nordostecke, zum Strand von Vaï. Es ist der bekannteste Palmenstrand Kretas, die endemische Dattelpalme (Phoenix Theophrastii) bildet hier den größten natürlichen Palmenhain Europas. Entsprechend ist die Infrastruktur: Die durchgehend asphaltierte, gut ausgebaute Straße endet auf einem reisebustauglichen Parkplatz, im Sommer gebührenpflichtig und bewacht, es gibt ein Kiosk und einen Souvenirladen, öffentliche Toiletten, zwei Tavernen... Ich finde es phantastisch, wie zuverlässig sich die Strände bereits leeren, wenn man erst nach 16 Uhr eintrifft. So lässt sich die Bucht genießen: Feiner Sandstrand, flach ins türkisblaue Wasser abfallend, ein Palmenwald im Hintergrund und reichlich freier Platz - da kommt schon leichtes Karibikfeeling auf.

Hier will ich innehalten, will auch ich ein wenig die Natur betrachten.
Des [...] wolkenleeren Himmels leuchtend Blau und gelbe Strände.
Alles hell und schön im Licht.
(Konstantinos Kavafis)

Am Abend gehe ich - entgegen meiner Gewohnheit - in die größte und touristischste Taverne von Sitía, das "Zorbas". Kaum zu glauben, aber dieser Laden ist in einem Reiseführer als Tipp ausgezeichnet. Ich hingegen bekomme hier das schlechteste Essen, dass ich in 28 Jahren Griechenland je bekommen habe. Das Taramosaláta schmeckt wie aus der Konserve und die gefüllten Auberginen waren vermutlich seit Ende der letzten Saison eingefroren. Unaromatisch, schlecht gewürzt, matschig und lieblos angerichtet - ein trauriges Beispiel von Touristenabzocke. Wenigstens ist das Mythos gut gekühlt. Und zur Krönung wird meine negativ-ehrliche Antwort auf die Frage, ob das Essen OK war, schlichtweg ignoriert. Da sind auch der Nuss-Kuchen und der Tsikoudiá, der am Ende serviert wird, nur ein schwacher Trost. Die milde Abendluft und der Duft einer guten Zigarre besänftigen schließlich mein Gemüt.

Sitía:


Östlich von Sitía:


Kloster Toploú:


Schlucht der Toten:


Káto Zákros, Minoischer Palast:


Káto Zákros:


Strand von Vaï: