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Die deutsche Sprache besitzt keine Worte, die das Wetter an diesem Morgen auch nur annähernd würdigen könnten. Ein solches Licht, eine solche Klarheit, ein solches Blau gibt es eben nur im griechischen Frühling. Wir frischen unsere Proviantvorräte auf und fahren zur Palamídi-Festung hoch, setzen uns in die Sonne auf eine Mauer, von der es einen perfekten Panoramablick auf Náfplion gibt und frühstücken dort.

Mehr konnte ich nicht verlangen, und mehr wünschte ich mir nicht. Ich hatte alles, was sich ein Mensch ersehnen kann, und ich wusste es. Ich wusste auch, dass ich es vielleicht nie wieder haben würde.
(Henry Miller)

Zwei herzliche und rüstige ältere Damen, Kalifornierinnen, die sich mehrere Wochen Zeit nehmen, um Griechenland kennen zu lernen, leisten uns Gesellschaft und teilen unsere Begeisterung für dieses Land. Als ich erzähle, welche Stationen wir bereits hinter uns haben, prägen sie den Begriff "lucky kids" - ein hervorragender Kandidat, sich in den kommenden Tagen zum geflügelten Wort zu entwickeln.

Da die "lucky kids" keine Lust verspüren, die alte Festung, die sich steil den Hang hinauf zieht, ausführlicher zu erkunden, fahren wir nach dem Frühstück unverzüglich nach Epídavros weiter, dem Heiligtum des Asklepios, des Gottes der Heilkunde. Auf dem Weg dorthin kommen uns bereits zahlreiche Reisebusse entgegen und am Ziel herrscht reger Besucherandrang. Auf den oberen Reihen des weltbekannten Theaters warten wir lange darauf, dass ein Teilnehmer einer der Reisegruppen demonstrativ ein Sonett intoniert, eine Ode rezitiert oder wenigstens ein Volkslied schmettert - aber nichts! Doch Sekunden, bevor wir unbefriedigt weiter ziehen wollen, erbarmt sich der Himmel: Eine Ordensschwester zelebriert einen Lobgesang und erntet dafür stürmischen Applaus von den Rängen. So ermuntert lässt sich ein älterer Grieche nicht lumpen und schiebt noch ein kurzes Volkslied hinterher.

Epidauros ist eine Schale, aus der man reinen Geist trinkt: das Blau des Himmels ist darin und die Sterne und die geflügelten Kreaturen, die zwischen den Welten fliegen und Gesang und Melodie ausströmen.
(Henry Miller)

Nach diesen Vorstellungen verlassen wir das Halbrund mit der legendären Akustik und besichtigen den verbleibenden Bezirk. Dort, wo vor fünf Jahren nur ausdruckslose Fundamente existierten, wird nun fleißig rekonstruiert. Unter Einbeziehung der - teilweise wenigen - vorhanden Originalsteine und vielen neuen Stücken, die in reiner Handarbeit millimetergenau reproduziert werden, erstehen allmählich die Gebäude der Antike wieder auf.

Kulturgesättigt fahren wir die wenigen Kilometer weiter nach Paleá Epídavros an der Ostküste. Der Ort, der in den Reiseführern übereinstimmend kritisch als "sehr touristisch" beschrieben wird, überrascht uns mit pittoresk gelegenen Tavernen, einem kleinen Bilderbuch-Hafen und - bedingt durch die Vorsaison - einem gewissen verschlafenen Charme.

In einer der Tavernen nehmen wir zur Mittagspause Platz und lassen uns Tsatsíki, Pommes, Souvláki, gefüllte Tomaten und Paprika und die üblichen Getränke kommen. Es ist immer wieder toll, beim Essen so nahe am Meer zu sitzen. Da wir von unserem Tisch aus einen Strandabschnitt auf der kleinen Halbinsel ausmachen können, die den seit der Antike geschätzten Naturhafen abschließt, führt uns der anschließende Verdauungsspaziergang dort hin.

Eigentlich wäre der Strand wunderschön: Auf dem leicht kiesigen Sandstreifen wachsen Tamarisken, die gerade in üppiger Blüte stehen und etwas Schatten spenden, Sitzbänke gibt es und man blickt herrlich auf den gegenüberliegenden Ort. Alle paar Minuten laufen Yachten in den kleinen Hafen ein oder aus, so dass es nicht langweilig wird. Leider jedoch sind die groben Kiesel, die im flachen Wasser liegen, ein beliebter Treffpunkt für Seeigel und die in den Tamarisken zu Myriaden umherschwirrenden Bienen arbeiten sich an den honigreichen Blüten anscheinend zu Tode, denn sie liegen hundertfach tot oder sterbend unter den Bäumen. Das bemerken wir leider erst, als Jana auf eine tritt, die gerade eben noch genug Kraft für einen finalen Stich in ihren Fuß hat. Und obwohl ich sehr aufmerksam bin, übersehe ich einen kleinen oder versteckt liegenden Seeigel und fange mir einen Stachel im Zeh ein.

Wieder im Ort finden wir ein einladendes Café am Rande einer kleinen Grünanlage. Ort, Temperatur und Stimmung sind perfekt und so entspannend, dass Jana sogar im Korbsessel einnickt. Ich liebe diese ruhigen, manchmal fast meditativen Kaffeepausen!

Wenn Du aufhörst zu suchen, findest Du das Glück.
(Johann W. von Goethe)

Als wir am späten Nachmittag nach Náfplion zurückkehren, springen wir - zwecks Proviantkaufs (morgen ist hier Karfreitag, da weiß man ja nicht, was alles geschlossen hat) - in eine Lidl-Filiale. Der kleine, aber dezente Unterschied zu einem deutschen Markt ist immer wieder erheiternd: Féta-Käse im vier Kilogramm-Pack, Olivenöl im Blechkanister und aus der Tiefkühltheke schauen uns die Saugnäpfe zahlreicher Oktopoden an.

In den Kirchen des Ortes hat unterdessen der Oster-Countdown begonnen: Orthodoxe Gesänge klingen elektrisch verstärkt durch den ganzen Ort. Da die Urlaubskasse nicht so stark gelitten hat, wie geplant, gönne ich mir am Abend ein einziges Mal gegrillten frischen Fisch, seit vielen Jahren das teuerste, was die griechische Küche zu bieten hat. 70 € pro Kilogramm sind zwar geeignet, einem den Appetit zu verderben, aber was soll's, in 100 Jahren sind wir alle tot. Der Fisch ist perfekt gegrillt und mit einem Wort zu beschreiben: Delikat! Die Kinder müssen indes sparen und bekommen nur Tsatsíki und Moussaká. Leider gibt es hier kein Mythos - das ist wahrscheinlich zu gewöhnlich - sonder nur Kaiser-Bier, etwas teurer, aber mindestens genauso gut. Als wir nach einem Bummel über die Promenade gegen 22 Uhr am Hotel ankommen, ist der Gottesdienst noch immer nicht zu Ende ...

Náfplion:


Epídavros:


Paleá Epídavros: