Heute steht ein geballtes Kulturprogramm auf dem Tagesplan. Es ist sonnig und warm, nur kleinere Wolkenfelder trüben den perfekten Gesamteindruck ein wenig. Unser erstes Ziel ist Tíryns, nur wenige Kilometer entfernt am Stadtrand von Náfplion gelegen. Die Festung von Tíryns, der älteren Schwester von Mykéne, ist auf einem Hügel gelegen, der trotz seiner geringen Höhe eine gute Sicht über die Ebene bietet. Besonders gut gefällt mir hier der Anblick von Náfplion aus einer ungewöhnlichen Perspektive.
Angenehm überrascht bin ich von der Erkenntnis, dass freier Eintritt für Jugendliche unter 18 Jahren nicht nur in allen staatlichen Museen, sondern auch in allen archäologischen Stätten gilt. Das schont die Urlaubskasse. Die einst mächtigste Festungsanlage der Bronzezeit war zwar ein ergiebiges Objekt der Archäologen, den heutigen Durchschnittsbesucher beeindrucken aber nur die gewaltigen Außenmauern, deren Errichtung schon in der Antike den Zyklopen zugeschrieben wurde.
Festungsmauern in Griechenland gehen, wenn sie nicht türkischen oder venezianischen Ursprungs
sind, auf das Zeitalter der Zyklopen zurück.
(Henry Miller)
Die Mauern, die die Festung früher auf einer Gesamtlänge von über 700 Metern umschlossen, hatten eine Stärke von bis zu acht Metern. Zarte, farbenfrohe Blumen auf den alten Steinen bilden auch hier in Tíryns wieder einen willkommenen Kontrast.
Wir brechen auf, um die Trümmer von Mykene und die unterirdischen Bauten zu sehen, die man Schatzhäuser
nennt.
(Gerhart Hauptmann)
Nach diesem archäologischen Appetizer folgt nun das Hauptgericht: Mykéne. Die Auslastung des Parkplatzes gibt bereits einen ersten Hinweis auf die Bedeutung dieser historischen Stätte. Durch das imponierende Löwentor betritt man die Anlage und geht über eine schräge Rampe zum eigentlichen Palastbezirk hoch. Hier liegt einem die gesamte argolische Ebene zu Füßen. Jeweils im Nord- und Südwesten lassen sich weit in der Ferne schneebedeckte Berggipfel erkennen. Im Nordwesten kann das eigentlich nur der Mt. Chelmós im Aroánia-Gebirge sein, im Südwesten bin ich mir nicht sicher: Sollten das tatsächlich die Gipfel des Taÿgetos sein? Sie sind mit zirka 90 Kilometern Entfernung eigentlich ziemlich weit entfernt, aber näher liegt nichts von vergleichbarer Höhe.
Wie so oft ist auch hier die Blumenvielfalt zwischen den Steinen der Bonus des Frühlings. Ein gut angelegter Rundweg erleichtert die vollständige Besichtigung der gesamten Anlage und führt zu allen interessanten Punkten wie dem Nordtor, der Ausfallpforte oder dem tief durch die Mauern führenden Treppenweg, der früher bis zu einer Quelle reichte. Er ist noch immer nicht beleuchtet und leider habe ich auch dieses Mal wieder keine Taschenlampe dabei. Die Erkundung dieses finsteren Gangs ist also erneut in die Zukunft verschoben.
Zum Abschied besichtigen wir die mächtigen Kuppelgräber, von denen niemand wirklich weiß, wozu sie tatsächlich gedient haben. Uns lassen die riesigen Scheingewölbe ebenso ratlos zurück, wie schon Generationen von Forschern vorher.
Die unterirdischen Kuppelbauten, die Pausanias Schatzhäuser nennt, sind ihrer eigentümlichen Bestimmung
nach noch heute ein Rätsel.
(Gerhart Hauptmann)
Hungrig von soviel Geschichte machen wir am späten Mittag Station in Árgos. Auf dem zentralen Stadtplatz sitzt man nicht nur wunderbar, unter duftend blühenden Orangenbäumen kann man die zahlreichen Passanten beobachten und gut essen lässt es sich hier ebenfalls. Wir nehmen einen griechischen Salat sowie je eine große Portion Bruschetta und Crostini in ihren griechischen Varianten. Die Crostini sind, mit schwarzer Olivenpaste bestrichen und mit Mozzarella dekoriert, knusprig und lecker.
Zur anschließenden Kaffeepause fahren wir nach Náfplion zurück und sitzen lange in der warmen Sonne auf dem wunderschönen, zentralen Sýntagma-Platz. Von dort gehen wir zur Akronauplía-Festung hoch, wo man einen schönen Blick auf die Altstadt hat, können aber nur kurz verweilen, da - von Norden schon weithin sichtbar - ein kräftiger Regenschauer heranzieht, vor dem wir gerade noch rechtzeitig ins Hotel flüchten können.
Nach der regenbedingten Zwangspause ist bereits Zeit zum Abendessen. Um draußen zu sitzen, ist es zu kalt, also gehen wir in das "Hellas" am Sýntagma-Platz. Tsatsíki, Gigantes (Riesenbohnen), geschmortes Hähnchen, geschmortes Lammfleisch, Bratkartoffeln und die üblichen Getränke runden den Tag ab. Da sich Regen und Wind gelegt haben, spazieren wir später über die Promenade und werden dort von gemütlichen Cafés angelockt. Unter Terrassenstrahlern kann man hier sogar an einem kühlen Abend wie heute draußen am Meer sitzen und die leise plätschernden Wellen und den Blick auf die in der Hafeneinfahrt liegende Bourtzi-Festung genießen. Mit heißer Schokolade bzw. einem Glas Oúzo wird es ein stimmungsvoller und gemütlicher Abend.