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Bei Anbruch des Tages werde ich vom Trommeln der Regentropfen geweckt. Da es zu früh ist, bleibe ich "noch ein viertel Stündchen" im Bett und als ich schließlich aufstehe ist der Himmel heller und trocken.

Für heute habe ich mir die Erkundung der südlichen Küsten der Insel vorgenommen und beginnen möchte ich mit einem Ausflug zum Kap Doukáto, der nur wenige Meter breiten Südwestspitze der Insel. Von Atháni aus fahre ich die Straße in Richtung Süden - nach einigen Kilometern verwandelt sich die gut ausgebaute Asphaltstraße in eine üble Schotterpiste, von der ich (zum Glück erst später) in einem Reiseführer lese, dass die Strecke mit einem nicht-geländegängigen Fahrzeug nicht zu bewältigen sei. Aber das weiß ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Bereits nach wenigen hundert Metern wird mir allerdings klar, wer die Hauptnutzer der Piste sind: Die allgegenwärtigen Ziegen.

Laut Karte sind es bis zum Ziel vier Kilometer, die jedoch von Meter zu Meter schwieriger werden. Nach ca. ¾ der Strecke komme ich zu der Erkenntnis, den Reifen und der Federung genug zugemutet zu haben und lasse den Wagen am Pistenrand stehen, um den letzten Kilometer zu Fuß hinter mich zu bringen. Niedrige Macchie ist das Einzige, was auf den windumtosten steilen Felsen Halt findet. Nach der nächsten Kurve taucht er vor mir auf: Der Leuchtturm, der das Kap krönt, wurde auf den Fundamenten eines antiken Apollotempels erbaut. Der Weg dorthin ist einzigartig zu gehen: Rechts und links von mir fallen die kreideweißen Felsen steil ins Meer ab. Einige Minuten später erreiche ich das Kap, von dem sich, Ovid zufolge, die Dichterin Sappho aus Lesbos aus unerfüllter Liebe in den Tod stürzte. Noch in römischer Zeit wurden hier Verbrecher dem Gottesurteil übergeben: Wer den Sturz ins Meer überlebte, war frei. Viele dürften das nicht gewesen sein...

Da läuft sogleich ein zartes Feuer unter der Haut, mit den Augen sehe ich nichts und es brausen die Ohren; Schweiß rinnt herab, und ein Zittern hält mich im Ganzen fest; ich bin fahler als Heu, scheine mir nur wenig entfernt vom Tod zu sein.
(Sappho)

Am Fuße des Leuchtturms nehme ich mein Frühstück zu mir und erlebe die grandiose Aussicht - ein Genuss, der vom strengen Geruch der zahlreich umherliegenden Ziegenexkremente ein wenig beeinträchtigt wird. Durch die defekte Eingangstür betrete ich den Turm und wage den Aufstieg bis zur Spiegellampe ganz oben, aber der Blick von hier ist nicht besser als vom Boden und da es sehr beengt und schmutzig ist, steige ich rasch wieder hinab. Die weit unten gegen die Felsen donnernde Brandung und die vom böigen Wind rasch dahintreibenden Wolken verleihen dem Ort einen angemessen dramatischen Touch. Lange stehe ich vor dem Abgrund und genieße den Ausblick, bevor ich letztendlich den Rückweg antrete.

Da es keine Passstraße über die Berge gibt, zumindest keine asphaltierte, muss ich zunächst 20 Kilometer nach Norden fahren, um dann auf die Hauptstraße zu gelangen, die nach Vasilikí führt. In den Bergen verdichten sich die Wolken zu leichtem Regen, aber an der Südküste ist es wieder freundlicher. Vasilikí ist eines der touristischen Zentren Léfkas', besonders unter Surfern genießt es internationalen Ruf. Der Grund wird mir schnell klar: Die Bucht von Vasilikí, die sich landeinwärts in einer flachen Ebene fortsetzt, ist an beiden Seiten von Bergen begrenzt, zwischen denen ein beständiger Südwind wie durch einen Windkanal bläst.

Der Ort selbst ist niedlich und in der Vorsaison halten sich die Besucherströme in Grenzen. Die fast überall viersprachigen Speisekarten an den zahlreichen Tavernen und Cafés der Uferstraße machen jedoch klar, dass es hier in der Hochsaison anders aussieht. Trotz der deutlich touristischen Prägung ist das Örtchen sehr sympathisch. Mein Magen mahnt mich dazu, hier eine Mittagspause einzulegen, also nehme ich in einem der Pavillons unter Eukalyptusbäumen Platz und stärke mich an Dolmadákia (gefüllte Weinblätter, man liebt Piment auf dieser Insel) und einem Mythos. Danach spaziere ich am Ufer entlang, vom kleinen Fähr- und Jachthafen bis zu den Fischerbooten und durch die wenigen Gassen des Ortes.

Die nächste Station an der Südküste ist Sívota. Der kleine Ort ist aber nicht das, was ich erhofft hatte, da er lediglich aus Tavernen besteht, die die Besitzer der hier ankernden Jachten versorgen und darüber hinaus nichts bietet, nicht mal einen ordentlichen Strand. Ohne lange zu Verweilen fahre ich deswegen weiter bis Vlichó. An der Ostküste ist herrlicher Sonnenschein und der Blick von der Straße auf die Bucht von Vlichó ist eine Augenweide. Der Ort selbst ist nicht sonderlich reizvoll: Die Häuser, die sich entlang der Uferstraße erstrecken, sind unterdurchschnittlich gepflegt und die Promenade dient weniger zum Bummeln, sondern ausschließlich als Ankerplatz für zahlreiche Jachten. Da mir das Wetter inzwischen Lust auf Meer macht, entscheide ich mich, einen der zahlreichen kleinen Strände zu suchen, die auf meiner Karte an der Ostküste der gegenüberliegenden Géni-Halbinsel verzeichnet sind. Nach einem detaillierten Studium der Karte wähle ich den Láka-Strand zu meinem Ziel.

Auch auf der Géni-Halbinsel hat der Asphalt nicht weit gereicht und wird schon bald durch Schotter ersetzt. Da ich das Gefühl habe, mein Schotter-Glück für heute ausgereizt zu haben, lasse ich den Wagen bald stehen und entschließe mich, die flachen Hügel auf Schusters Rappen zu überwinden. Ich bereue den Entschluss nicht: Der Weg erweist sich als angenehm zu gehen. Zuerst bietet sich zwischen Olivenbäumen ein herrlicher Ausblick auf die Desími-Bucht, dann führt der Weg in einen Wald hinein, schattig und grün. Selten habe ich einen abwechslungsreicheren Wald gesehen, eine perfekte Mischung aus gemäßigter und mediterraner Vegetation. Eichenbäume wechseln sich mit Oliven und Zypressen ab, darunter sprießt frischgrüner Farn, am Wegesrand gedeihen Brombeeren, Ginster und Macchie. Lediglich der Lärm der Zikaden macht unmissverständlich klar, wo man sich befindet.

Wenn ich den Strand erreiche, werde ich dort vollkommen alleine sein, dessen bin ich mir bewusst, da der zwei bis drei Meter breite Weg an mehreren Stellen von riesigen Spinnennetzen überspannt ist. Nach einem knapp halbstündigen Spaziergang nähere ich mich meinem Ziel.

Der Láka-Strand ist eine gut 100 Meter breite Bucht aus weißen Kieseln, an der Landseite mit Schilf und Oliven bewachsen. Der Strand ist wie erwartet menschenleer, das Wasser glasklar, das Wetter herrlich. Gegenüber liegt Skorpiós, die Privatinsel der Familie Onassis, in der Ferne dahinter sind die Berge des griechischen Festlandes zu erkennen. Zuerst gönne ich meinem erhitzen Körper eine Abkühlung in den Fluten, die wärmer sind, als erwartet, dann lege ich mich in den Schatten der Olivenbäume und lausche dem Plätschern der Wellen. Von welchem Boot die angeschwemmte Holzkiste mit den zwei Rochen stammt, kann mir auch die Strauchschrecke nicht erklären, die meine Karte zu ihrem Lieblingsplatz bestimmt hat und mir lange Gesellschaft leistet. Einfach nur dort zu liegen, den Blick schweifen zu lassen und das Panorama zu genießen, ist unglaublich entspannend.

Am späten Nachmittag trete ich den Rückweg an, lasse Vasilikí links liegen, überquere die Berge, in denen immer noch Wolken hängen, die sich auch an der Westküste nicht auflösen und biege kurz vor meinem Basislager zum Gialós-Strand ab, dem längsten Strand Léfkas'. Im Gegensatz zu Egremní ist die Straße zu diesem Strand bis zum Ende asphaltiert, aber nicht weniger kurven- und kehrenreich. Der kilometerlange, teils sandige, teils kiesige Strand ist fast menschenleer. Vielleicht tue ich Gialós Unrecht und es liegt nur an dem wolkigen, trüben Licht, aber irgendwie finde ich den Strand weniger spannend als andere, die ich schon gesehen habe und so begnüge ich mich mit einem langen Strandspaziergang bis zu seinem Südende. Dann fahre ich zur Unterkunft zurück, ruhe mich ein wenig aus und besuche zum Abendessen wieder die zugehörige Taverne.

Da ich bezüglich der Wahl meines Essen unentschlossen bin, verlasse ich mich auf Thomas' Tipp des Tages: Pastízio. Der Makkaroni-Hackfleisch-Auflauf ist sehr gut, vorher habe ich mich allerdings noch von gebratenen Auberginenscheiben verwöhnen lassen. Das üppige Mahl wird von zwei Mythos begleitet. Mit Willi, der ebenfalls wieder anwesend ist, unterhalte ich mich lange. Sowie es seine Arbeit erlaubt, leistet auch Thomas uns Gesellschaft - er hat einen dokumentarischen Bildband von Léfkas aus den 60er Jahren dabei. Spannend, wie sich das Leben auf der Insel innerhalb von 40 Jahren verändert hat. Zum Abschluss des Abends serviert er wieder den großartigen Walnusskuchen - sehr satt und müde falle ich ins Bett.

Kap Doukáto:


Vasilikí:


Sívota:


Vlichó-Bucht:


Desími-Bucht:


Géni-Halbinsel:


Láka-Strand:


Vasilikí:


Gialós-Strand: