Léfkas / Attika 20.05.2007

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Mit einem guten kontinentalen Frühstück im Bauch setze ich meine Reise fort. Es ist zwar weiterhin bewölkt, aber trocken, und die Strecke von Amfilochía nach Árta ist überraschend schön. Links der Straße erstreckt sich der Ambrakische Golf, zur Rechten sind die Berge mit üppig grünen Laubwäldern überzogen, während am Straßenrand gleichzeitig die typisch mediterrane Vegetation aus Eukalyptus, Zypressen, Palmen und Oleander gedeiht. Südlich von Árta wird die Landschaft flacher und in der Ebene wachsen Oliven und Zitrusfrüchte soweit das Auge reicht. In Árta angekommen lasse ich den Wagen am unteren Stadtrand stehen und spaziere durch blumenbegrenzte Gassen bergan, um mir von oben einen Überblick zu verschaffen. Dann geht es immer der Nase nach wieder bergab und durch einen inneren Kompass oder schieres Glück gelenkt stehe ich plötzlich vor der Panagía Parigorítissa, dem eigentlichen Primärziel des Abstechers nach Árta.

Die uralte Kirche im Range eines Museums war vor zwei Jahren - wie alle Museen am Montag - geschlossen, deshalb bin ich diesmal sonntags hier. Nicht eingeplant habe ich dabei die Tatsache, dass auch eine Renovierung ein Grund sein kann, weshalb eine Sehenswürdigkeit nicht zugänglich ist. So ist es diesmal. Schade! Von einem Angestellten, der sich in dem in einer ehemaligen Klosterzelle eingerichteten Büro langweilt, erhalte ich immerhin einen Prospekt, dem ich entnehmen kann, was für ein kulturhistorischer Schatz mir auch dieses Jahr wieder entgeht. Die spontane Idee, zum Ersatz einige der zahlreichen weiteren alten Kirchen der Stadt zu besichtigen, erweist sich als wenig praktikabel, da Sonntagvormittags in allen Kirchen Gottesdienste stattfinden. Und die dauern bekanntlich...

Demzufolge nehme ich mir die nächste Sehenswürdigkeit der Stadt vor. Die mächtige Zitadelle von Árta soll laut Reiseführer ein gemütliches Café beherbergen, also genau das Richtige für jetzt. Ein Rundgang um die gut erhaltene Festungsmauer zeigt einen einzigen Eingang - aber diesen leider geschlossen. Keine Burg, kein Café! Es ist 24°C, schwül und ich habe Durst. Also kehre ich in die Innenstadt zurück, wo ich das Kafenion am Plátia Metáxa aufsuche, in dem ich vor zwei Jahren so lange gesessen habe. Der unvermeidliche Kafé frappé ist sogar noch zehn Cent billiger als 2005, ansonsten ist alles unverändert und der Ort verfehlt seine Wirkung nicht. Die lebhaften Gespräche, die Zeitung lesenden alten Männer, das Klappern der Komboli, das Klicken der Backgammon-Steine aus dem Innenraum, der Geruch nach Kaffee, Oúzo und Zigaretten: Die Stimmung ist perfekt! Es ist bereits ziemlich viel los auf dem kleinen Platz und als kurz nach 12 Uhr die Frauen aus dem Gottesdienst kommen und sich dazugesellen, wird es richtig voll. Als die Sonne kurz durch die Wolken bricht und ein Pope vorbeispaziert, habe ich ein echtes Déjà-vu. Ja - das hier ist das wahre Herz Griechenlands und hier und jetzt erfülle ich das Versprechen, das ich vor genau zwei Jahren und vier Tagen an dieser Stelle ablegte. Ich bin wieder hier und ich genieße den Augenblick.

Haben Sie je über die Beziehung zwischen Ortschaft und Gedächtnis nachgedacht?
(Kostas Grigoriadis)

Vom Geist des Ortes belebt mache ich mich irgendwann wieder auf den Weg und fahre - nicht ohne einen Zwischenstopp an der alten türkischen Steinbogenbrücke - über oleandergesäumte Straßen die wenigen Kilometer nach Préveza. Hier, am Eingang zum Ambrakischen Golf, ist das Meer schmal wie ein Fluss, so dass der kleine Badestrand fast deplatziert wirkt. Die Innenstadt ist schmucklos modern, aber die Promenade ist großzügig angelegt und lädt mit den angrenzenden alten Gassen zum Bummel ein. Da der Mittag schon weit fortgeschritten ist, fällt dieser jedoch nur kurz aus und ich stärke mich anschließend in einer der zahllosen Tavernen, die die Promenade flankieren, an einer Portion Keftedákia, die mit einem sehr leckeren Tomatenrelish serviert werden.

Die Weiterfahrt führt durch einen Tunnel unter der Meerenge hindurch und unmittelbar am Flughafen vorbei, wo natürlich ein strenges Photographierverbot herrscht, verschärft durch die Tatsache einer direkt nebenan befindlichen Kaserne. Die einmalige Lage der Landebahn kann man besser aus der Vogelperspektive erkennen, aber dazu später mehr.

Von einer distelüberwucherten Düne (die auch als Ziegenfriedhof dient) lässt sich schon bald die Lagunenlandschaft erkennen, die sich bis Léfkas fortsetzt. Die Insel Léfkas, auch Lefkáda genannt (die beiden Namen existieren gleichberechtigt nebeneinander), ist bequem mit dem Auto über eine Brücke erreichbar, die den schmalen Durchstich in den Sandbänken zwischen Festland und Insel überbrückt. Als "Basisstation" für meinen Inselaufenthalt habe ich mir den Ort Atháni im Südwesten der Insel erkoren.

Der Weg dahin führt über die knapp 1000 Meter hohen nördlichen Berge, die von den immer dichter und dunkler werdenden Wolken in ein silbrig-graues Licht getaucht werden. Stellenweise führt die Straße in die Wolken, an anderen Stellen spiegelt das Licht vom offenbar wolkenfreien Meer von unten hinein, was eine seltsame, unwirkliche Stimmung herbeiführt. Abgesehen von der schlechten Sicht macht das Fahren auf der gut ausgebauten, extrem kurvenreichen Straße jedoch mächtig Spaß.

Gegen 17 Uhr erreiche ich den kleinen Ort Atháni, in dem sich die gesuchte Pension "Panoramic View" direkt am Dorfplatz nicht übersehen lässt. Der Besitzer Thomas Robotis verkörpert alles, was die griechische Gastfreundschaft berühmt gemacht hat und empfängt mich herzlich und wortreich wie einen alten Bekannten, bringt erst mal einen Kafé frappé und eine ofenwarme Tirópita und offeriert mir anschließend ein schönes Zimmer mit Balkon und großem Duschbad. Als ich nach dem Preis frage, glaube ich meinen Ohren nicht zu trauen: 15 €, wenn's OK wäre. Die Hinterlegung des Personalausweises, wie das sonst überall üblich ist, sieht er als überflüssig, fast beleidigend an. Da ich bei dem Preis-/Leistungsverhältnis wahrhaftig keinen Diskussionsbedarf sehe, buche ich mich spontan für vier Nächte ein. Thomas, der außer Englisch ein paar Brocken Deutsch spricht, führt nicht nur die Pension, sondern auch die dazugehörige Taverne, ein Kafenion und einen winzigen "Supermarket". Zusammen mit seiner Schwester, die kocht, Olivenöl und Honig aus eigener Herstellung verkauft und bergabwärts noch ein paar Zimmer anbietet, verkörpert er Herz, Hand und Hirn des Ortes.

Der Grund, warum ich Atháni als Basis gewählt habe, ist die unmittelbare Nachbarschaft zu drei der bekanntesten Strände der Insel. Bereits eine Stunde nach dem Eintreffen mache ich mich auf den Weg, den Ersten davon zu begutachten. Drei Kilometer südlich von Atháni zweigt eine Schotterpiste zum Strand Egremní ab, die mich schon nach wenigen Metern zu der Überzeugung kommen lässt, dass dieser Strand niemals massentauglich sein wird. Der grobe Schotter ist von tiefen Erosionsrinnen durchzogen, welche die Bodenfreiheit eines normalen PKWs auf eine harte Probe stellen. Die Piste führt außerdem so steil und in engen Serpentinen die Felsenküste hinab, dass ich nach ⅔ der voraussichtlichen Strecke kein weiteres Risiko mehr eingehe, den Wagen an der erstbesten Möglichkeit abstelle und den Rest zu Fuß zurück lege. Schon bald wird die Mühe belohnt und ich sehe weiter unten einen wahren Traumstrand, feinsandig, geschützt und menschenleer. Trotz der Wolken über den Bergen und der diesigen Luft über dem Meer leuchtet das Meer in intensivem Hellblau. Die letzten 100 Höhenmeter führen über viele steile Beton-, Fels- und Holzstufen hinab - nicht einfach, nicht unanstrengend (vor allem der Rückweg), aber ohne Zweifel absolut lohnend.

Die Stimmung am Meer ist beeindruckend und zugleich entspannend. Die tief im Westen scheinende Sonne, der kräftige Wind, der das Wasser zu ein Meter hohen Wellen auftürmt und donnernd auf den Strand prallen lässt, die Stille, die Einsamkeit und die silbrig verzauberten Farben lassen die Gedanken schweifen und die Zeit viel zu schnell vergehen. Ich bin mit dem Tag versöhnt!

Zurück in Atháni kehre ich zum Abendessen in Thomas' Taverne ein. Ich habe Lust auf etwas Schlichtes und Sättigendes und nehme deshalb eine Portion Oliven als Vorspeise und einen Teller Spaghetti Bolognese in der griechischen pimentreichen Variante, dazu ein Mythos. Letzteres entlockt Thomas eine überraschte Bemerkung, da ausländische Touristen wohl fast ausnahmslos Wein zum Essen wählen. Er wird es sich merken...

Beim Essen komme ich mit den anderen Gästen der Pension ins Gespräch: Ein Wohnmobil-Paar aus München sowie Willi, ein rüstiger Rentner aus Stuttgart, der mit dem Motorrad unterwegs ist und auf dem nahen Festland in Astakós sein Häuschen renoviert. Wir alle sind erfahrene Griechenland-Insider, so dass sich Gesprächsstoff für einen langen Abend ergibt. Später ordere ich einen Tsípouro, der ziemlich üppig ausfällt und von einem zweiten begleitet wird. Dazu serviert Thomas einen hausgemachten Walnusskuchen ("from my sister"), den ich nicht nur aus Höflichkeit aufs Höchste lobe. Weder der Kuchen, noch die beiden Tsípouro tauchen auf der Rechnung auf, so dass ich für 8 € satt und rundherum zufrieden ins Bett falle.

Árta:


Unterwegs:


Préveza:


Léfkas (Lefkáda):


Egremní-Strand: