Léfkas / Attika 18.05.2007

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Wer viel hinter dem Schreibtisch sitzt, braucht eine anstrengende Wanderung.
Wer viel mit Menschen zu tun hat, braucht eine einsame Insel.
Wer in der großen Stadt wohnt, braucht die Weite des Meeres.
(Rainer Haak)

Wer behauptet, eine heiße Dusche helfe, um 3:00 Uhr morgens wach zu werden, der hat es nie selber versucht. Mir jedenfalls hilft es nicht. Wach werde ich erst, als ich im Kölner Hauptbahnhof die erste S-Bahn Linie 13 besteige und in Begleitung einer wunderlichen Mischung aus Nachtschwärmern und Fernreisenden in Richtung Flughafen starte. Das wirkliche Urlaubsgefühl beginnt aber wie immer erst im Wartebereich zum Boarding, wo eine vorsaisonale Mischung aus Senioren, kinderlosen Paaren und Griechen im Heimaturlaub die Passagiere des Flugs bilden, der 2½ Stunden nach seinem pünktlichen Start vorzeitig um 10:15 Uhr auf dem internationalen Flughafen "Elefthérios Venizélos" in Athén landet.

Die erste Überraschung trifft mich schon im Empfangsbereich des Flughafens, wo ein Schwarzafrikaner ein leuchtend gelbes Schild hochhält, das in großen freundlichen Buchstaben die Aufschrift "holiday autos" zeigt. Seit Jahren reserviere ich meine Urlaubs-Mietwagen über diese Firma, seit Jahren kooperieren sie mit Hertz, an deren Schalter ich die Autos sonst in Empfang nehme. Dass dies jetzt anders ist, erklärt mir der zuvorkommende Dunkelhäutige in Englisch mit unverkennbar griechischem Akzent, weil Holiday Autos - jetzt ganz neu - ein eigenes Büro unterhält, welches sich allerdings nicht direkt am Flughafen befinde, sondern in Spáta, zehn Kilometer entfernt, am südlichen Stadtrand Athéns. Zusammen mit einer Holländerin und einer vierköpfigen deutschen Gruppe werde ich per Shuttle-Bus dorthin chauffiert. Der Rohbau, der nur ein einziges fertiges Büro enthält, wirkt nicht gerade Vertrauen einflößend, aber das täuscht. Der Vertrag ist der gleiche wie immer, die Übergabe zügig und unkompliziert und der gut gepflegte weiße Nissan Micra, den ich dort in Empfang nehme, erweist sich in den kommenden zehn Tagen als erwartet zuverlässig.

Die Oleanderzweige, die vor drei Jahren scheinbar lieblos in den Mittelstreifen der Athéner Ringautobahn gesteckt wurden, sind inzwischen zu üppigen Sträuchern herangewachsen und zieren die triste Stadtumrundung mit einem weiß und violett leuchtenden Blütenmeer. Bei Elefsína verlasse ich die Autobahn in Richtung Thíva, dem antiken Theben. Nachdem ich die letzten Athéner Industrievororte hinter mir gelassen habe, beginnt die Fahrt allmählich Spaß zu machen. Die von Oleander, Oliven- und Eukalyptusbäumen gesäumte Landstraße führt in eine Hügellandschaft, die von Macchie, Kiefern, Lärchen und Zypressen in ein intensives Grün getaucht wird.

Südlich von Thíva weitet sich die Landschaft zu einer Ebene mit intensivem Ackerbau, die sich bis hinter Livadiá hinzieht und von der auf einem Hügel liegenden Stadt Thíva seit der Antike beherrscht wird. Die Straße, auf der ich fahre, ist im wahrsten Sinne des Wortes sagenhaft: Denn genau hier auf dieser Straße, zwischen Thében und Délphi wandelte einst schon Ödipus, begegnete hier seinem Vater, den er nicht kannte, erschlug ihn und schuf so die Grundlage für eine der bekanntesten griechischen Tragödien.

O du von Zeus hold redendes Wort, was bist du für eins wohl
Von der goldereichen Pytho zu der glänzenden gekommen, zu Theben?
(Sophokles, Oedipus, 1. Akt, 2. Szene)

Heutzutage ist die Straße weniger spektakulär. Gesäumt von in der Sonne duftenden Feigenbäumen führt sie fast schnurgerade durch die Ebene. Bei Dístomo biege ich in südliche Richtung ab und erreiche gegen 14 Uhr mein erstes Etappenziel: Das Kloster Óssios Loukás liegt nicht nur idyllisch in einem abgelegenen Hochtal, sondern ist eines der ältesten und bedeutendsten Klöster Griechenlands. Seit über 1000 Jahren ununterbrochen bewohnt, gilt die Architektur seiner Hauptkirche als Vorbild für viele Oktogon-Kirchen im byzantinischen Kulturgebiet.

Eng und nur wenig Hofraum lassend, sind die Klostergebäude in, wie es scheint, geschlossenem Kreis um eine alte byzantinische Kirche gestellt, die sie zugleich beschützen und liebevoll einschließen.
(Gerhart Hauptmann)

Nach einer kurzen Rast an einer frisch renovierten Seitenkapelle, wo ein brausender Südwind den Duft von Kiefern und Feigen verteilt, starte ich zur Besichtigung des Komplexes. Aber die Zeit ist schlecht geplant: Von 14 bis 16 Uhr pflegen die Mönche ihre Mittagsruhe und schließen während dieser Zeit die Pforten. Fast zwei Stunden zu warten ist mir trotz der Bedeutung des Klosters zuviel. Im baumbeschatteten Innenhof plane ich die weitere Route, besichtige die verschachtelten Gebäude bei einem Spaziergang um die Anlage so gut es geht von außen und setze meine Fahrt fort.

Ich durchquere Aráchova, ein nett gelegenes Städtchen mit hübschen, engen, vollen Straßen, das offensichtlich im Winter von Ski- und den Rest des Jahres von durchreisenden Délphi-Touristen sehr gut leben kann. Die mit sonnengelb blühendem Ginster gesäumte Straße führt mich an Délphi vorbei, wo ich es, entgegen meiner ursprünglichen Absicht, nicht über das Herz bringe, auf einen kurzen Zwischenstopp zu verzichten, um wenigstens dem Tholos, dem blumenüberwachsenen Gymnasion und der heiligen (und wegen Steinschlaggefahr eigentlich verbotenen) kastalischen Quelle einen kurzen Gruß zuzuwerfen.

Sagt es dem Herrscher, zerstört ist die kunstgesegnete Stätte.
Phoebus hat keine Heimstatt mehr und keinen prophetischen Lorbeer;
nicht mehr dient ihm die Quelle, verstummt ist das murmelnde Wasser.
(Orakelspruch an Kaiser Julian, ca. 360 n. Chr.)

Am späten Nachmittag erreiche ich Galaxídi, eine Kleinstadt an der Nordküste des Golfs von Kórinth. Müde vom frühen Aufstehen und dem ereignisreichen ersten Tag suche ich nicht lange nach einer optimalen Unterkunft, sondern quartiere mich in der erstbesten ein: Das Hotel Poseidon bietet zwar keinerlei Luxus, aber für heute reicht es. Ein Spaziergang durch den Ort bringt wenig Spektakuläres zu Tage, lediglich die Hauptkirche besticht mit einer prächtigen, holzgeschnitzten Ikonostase und die Promenade, die sich vom kleinen Hafen rund um den Ort zieht, ist wirklich sehr nett. Außerhalb des Ortes setzt sich die Promenade am gegenüberliegenden Ufer fort und lädt zum gemütlichen Spaziergang ein. Die Felsen bilden hier kleine "Privatbuchten", jeweils für eine bis fünf Personen geeignet und man hat einen schönen Blick auf den Ort, über den sich leider gerade jetzt dunkle Wolken zusammenziehen.

Gegen 19:30 Uhr beginnt es leicht zu regnen, also spaziere ich zum Ort zurück und nehme zum Abendessen in einer der zahlreichen Tavernen an der Promenade Platz. Kaum sitze ich auf der überdachten Terrasse, geht ein wahrer Wolkenbruch nieder, der mir den Genuss des ausgezeichneten Souvlakis mit Auberginenpüree aber nicht verwässert. Eine 1,5 Liter Flasche Wasser gehört zum Service, aber ohne mein geliebtes Mythos-Bier gehe ich hier nicht weg. Bis ich bei einer Zigarre die Planung der nächsten Tagesroute abgeschlossen habe, hat der Regen nachgelassen, sodass ich auch den weiter bergauf gelegenen Ortsteil erkunden kann. Hier, abseits der Promenade, finde ich eine Reihe von Geschäften und Tavernen, die von den Einheimischen bevorzugt werden und deutlich preiswerter sind. Egal - zum Ärgern bin ich zu satt und zu müde und falle bald darauf ins Bett. Nur die zahlreichen und penetrant laut sirrenden Mücken halten mich vom sofortigen Einschlafen ab.

Am Flughafen Athén:


Kloster Óssios Loukás:


Délphi:


Galaxídi: