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Der Morgen beginnt mit dem ungewöhnlichen Luxus eines Frühstücksbüfetts, anschließend gehe ich kurz in die Stadt, um etwas Proviant für die nächsten Tage einzukaufen. Dann geht die Reise in südwestlicher Richtung weiter mit Ziel Métsovo. Trotz des grau-bewölkten Himmels macht die Fahrt richtig Freude: Die Straße ist in einem ordentlichen Zustand, verkehrsarm und genauso kurvenreich, wie ich es liebe. Die milde Luft, die durch die offenen Fenster einströmt, duftet nach Blumen und Kräutern und die markanten Rufe der Kuckucke erfüllen die Bergwelt. Eine Zeitlang folgt die Straße dem Oberlauf des Venétikos und führt dann höher ins Gebirge hinein, wo die Wolken tief zwischen den Bergen hängen.

Als die Straße die Passhöhe zwischen den Bergen Mavrovoúni und Katára erreicht, kehrt sich innerhalb weniger hundert Meter das Wetter in das Gegenteil um und die Bergwelt am Katára-Pass empfängt mich mit strahlendem Sonnenschein. Als ich Minuten später auf die Hauptstrecke nach Ioánnina einschwenke kommen mir Fahrradfahrer entgegen - wie kann man sich das nur freiwillig antun!? Da genieße ich doch lieber den makellosen Ausblick auf das am Berghang vis-a-vis gelegene Métsovo und den schneebedeckten Mt. Lákmos im Hintergrund.

Gegen 10:15 Uhr erreiche ich Métsovo, lasse meinen Wagen direkt am Dorfplatz mit der riesigen Platane stehen und bin auf Anhieb vom Ort begeistert. Métsovo ist ein Dorf wie aus einem Bilderbuch. Man sieht dem Ort seinen Wohlstand an, den er allerdings weniger aus den Reisegruppen mit Wandertouristen bezieht, sondern - neben Fernhandel und Viehzucht - aus seinen traditionellen, hochwertigen Handwerksprodukten, die überall in den Straßen zum Kauf angeboten werden, allen voran handgewebte Decken mit wirklich wunderschöner Ornamentik. Die Straßen sind allesamt sauber und gepflegt, die Häuser in makellosem Zustand - alles wirkt frisch und ordentlich. In der Kombination mit dem strahlenden Gebirgspanorama habe ich eher den Eindruck, mich in der Schweiz zu befinden, als in Griechenland. Mit jeder Minute, die ich durch die pittoresken Straßen bummele, wächst meine Begeisterung, genauso wie mein Durst, denn die Ortsbesichtigung ist auf Grund der steilen Hanglage alles andere als ein Spaziergang. Da ist es gut, dass man sich in Nordgriechenland überall darauf verlassen kann, öffentliche Brunnen zu finden, die hervorragendes Trinkwasser spenden.

OK, der Ort ist nicht nur postkartenschön, er ist ohne weiteres Filmkulissen-geeignet: Hier tragen die alten Frauen selbst im Alltag noch die traditionellen Trachten und die alten Männer sind sich nicht zu schade, sich auf die traditionellen, geschnitzten Hirtenstöcke zu stützen, damit sie die alltägliche politische Diskussion am Dorfplatz nicht verpassen. Im Zentrum des Dorfes findet sich eine große Kirche, natürlich reich mit Fresken ausgemalt. Der gesamte Fußboden der Kirche ist mit getrocknetem Lorbeer-Laub bestreut, welches den Innenraum mit einem wunderbaren Duft erfüllt. Erst viel später verstehe ich diese Sitte: In der Osternacht wirft der Priester Lorbeerblätter über die Gläubigen - das jahrtausende alte Symbol des Siegers als Zeichen des Sieges über den Tod. Auf der Straße unterhalb der Kirche findet ein Markt statt, dieser trägt genauso zur einmaligen Atmosphäre des Ortes bei, wie die Wolkenwelle, die im Nordosten drohend, aber vergeblich versucht, die Höhenzüge von Mavrovoúni und Katára zu überwinden. Und schließlich sind die Ausblicke in das Píndos-Gebirge, die sich von überall im Dorf aufs Neue ergeben, ebenfalls nicht zu verachten.

Nachdem ich den Ort ausgiebig durchstreift habe, lasse ich mich am Rande des Dorfplatzes in einem Kafenion nieder und beobachte bei einem Kafé frappé mit viel Ruhe das lebhafte Treiben auf den Straßen. Den ganzen Tag hier zu bleiben wäre eine echte Alternative! Ich lasse mir den Gedanken ernsthaft durch den Kopf gehen, verwerfe ihn letztendlich aber doch und rüste mich zur Weiterfahrt in Richtung Ioánnina.

Auch die Strecke von Métsovo nach Ioánnina ist genau die Art von Straße, die ich mir im Urlaub wünsche - hier merkt man wenigstens noch, wozu ein Auto Lenkrad und Gangschaltung hat. Kurz vor Ioánnina muss ich eine kleine Pinkelpause einlegen, und wo ich gerade eben so etwas abseits der Straße stehe, schlängelt sich eine ca. 1,20 Meter lange, schwarz-braun gestreifte Schlange - die ich im nachhinein als Balkanzornnatter (Hierophis gemonensis) identifizieren kann - keinen halben Meter von meinem linken Fuß entfernt durch das Unterholz. Nettes Gefühl, wenn man sich gerade nicht bewegen kann...

Kurz vor Ioánnina biege ich in Richtung Zagória ab, entscheide mich aber nach wenigen Minuten im Hinblick auf die Wettervorhersage (die für den nächsten Tag starke Bewölkung angekündigt hat) umzukehren, und zunächst die Stadt Ioánnina anzusteuern. Wenn die Vorhersage Recht hat, passen morgen ein paar Sehenswürdigkeiten besser - grandiose Natur sollte man bei klarerem Wetter erleben. Ich kehre also um und stürze mich mitten hinein in das Verkehrschaos der epirotischen Hauptstadt. Allerdings sehe ich schnell ein, dass es mehr Sinn macht, den Wagen etwas außerhalb stehen zu lassen und die Stadt zu Fuß zu entdecken.

Zuerst mache ich einen Erkundungsbummel und spaziere am Seeufer entlang um die Festungshalbinsel herum und dann durch die Innenstadt. Dabei komme ich durch die Odos Tsirigoti, in der sich mehrere billige Hotels befinden, in einem davon quartiere ich mich direkt für zwei Nächte ein. Dann mache ich wieder kehrt, um die Altstadt mit der Zitadelle Itş Kalé auf der Halbinsel zu besichtigen. Der Bezirk der Zitadelle ist bis auf die alte Basilika Agía Anárgiri sowie die Fetije-Moschee geschleift und bildet eine weite, parkartige Fläche, die intensiv nach Heu, Blumen und Kräutern duftet, einer eigenartigen Mischung irgendwo zwischen Parfümerie und Gewürzregal. Von der freien Fläche um die Fetije-Moschee mit dem Grab Ali Pashas hat man einen sehr schönen Blick auf den Pamvótis-See und darüber hinaus.

Anschließend spaziere ich zur Nordecke des Altstadtfelsens, wo mich in einer teilrenovierten Museumsanlage die zweite gut erhaltene Moschee, die größere Aslan-Moschee erwartet. Leider ist die Moschee geschlossen, so dass ich mich mit einem Blick von außen hinein begnügen muss. Die umgebende Anlage ist stimmungsvoll hergerichtet, alte Relikte des Freiheitskampfes wechseln sich mit jungen Blumen ab und die liebevoll renovierte Koranschule beweist, dass nicht überall in Griechenland die 400-jährige türkische Besatzungszeit totgeschwiegen werden muss.

Zurück in der Neustadt kaufe ich Postkarten und setze mich am Rande der Odós Avérof in ein schön gelegenes Cafe, wo ich die Karten bei einem Kafé frappé auch direkt schreibe und mich vom langen, langsamen Bummeln erhole. Anschließend hole ich den Wagen, finde tatsächlich einen Parkplatz in akzeptabler Nähe zum Hotel und mache mich dort frisch, bevor ich mich zum Abendbummel wieder auf die Straße begebe. Jetzt am Abend erwacht die Stadt: Die extrem zahlreichen kleinen und größeren Silberschmiede, die bestimmt die Hälfte der Geschäfte der Innenstadt ausmachen, öffnen ihre Läden und sehr viel junges Publikum bevölkert schon bald die ungezählten Bars und Cafes am Seeufer - Ioánnina ist schließlich eine Universitätsstadt. Doch trotz allen modernen Lebens gehört ein kurzes Gebet an der Ikonostase des Stadtheiligen für viele Bewohner zum Alltag.

Nach einiger Zeit entscheide ich mich zum Abendessen für ein Restaurant, genauer gesagt für ein Estiatório, also eine Gaststätte ohne Grill, sondern nur mit geschmorten Speisen, die in riesigen Töpfen in einer Theke auf ihren Verzehr warten. Die Auswahl ist groß und verführerisch und reicht von Fleisch und Geflügel über deftige Suppen und Eintöpfe bis hin zu zahlreichen Gemüse- und Hülsenfrüchtegerichten. Da fällt die Auswahl schwer, schließlich nehme ich eine Portion eines Eintopfs aus Kartoffeln, Zucchini und Tomaten und eine Portion Okra mit Zwiebeln und viel Knoblauch. Beide Gerichte sind klassische griechische Volksküche, nichts fürs Auge, aber umso mehr für den Gaumen und mit einem ehrlichen Ölgehalt. Das Lokal wirkt ohnehin nicht so, als wäre es primär für ausländische Touristen gedacht: Ein paar Tische draußen, innen ein schmuckloser Raum, neonbeleuchtet, dazu schlichte Tische und Stühle, mehr nicht. Hier werden nur sehr selten Touristen bedient. Für 7,30 € kann man jedenfalls nicht auf schmackhaftere Weise so satt werden, wie ich es jetzt bin.

Mühsam komme ich auf die Beine und mache in der noch immer sehr warmen Abendluft einen Verdauungsspaziergang am See entlang um die Festung herum. Danach bummele ich die Avérof entlang, die "Champs" von Ioánnina, die auf ihrer ganzen Länge von Bars und Cafes gesäumt ist (jedenfalls da, wo keine Silberschmiede sind). Es ist Samstagabend und die Stadt bebt - nicht zu glauben, wie viele Menschen sich in den Lokalen eingefunden haben, es gibt kaum einen freien Platz, weder innen noch auf der Straße. Ioánnina "Die Schöne" heißt es. Das kann ich bisher nicht bestätigen, die Stadt ist genauso verbaut, wie alle griechischen Städte, vielleicht etwas verwinkelter, aber Ioánnina "Die Lebendige", dem Titel würde ich ohne Zögern zustimmen. Als ich zwei Stunden nach dem Abendessen wieder mein Hotel erreiche, ist es noch immer 20°C warm und ich bin noch immer unvermindert satt. Ein klasse Tag!

Píndos-Gebirge:


Métsovo:


Píndos-Gebirge:


Ioánnina: