Pelopónnes 07.05.2004

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Der Tag beginnt früh um 3:00 Uhr und folgt während der ersten Stunden den routinierten Stationen: Das unkomplizierte Einchecken am germanwings-Schalter, Sicherheitskontrollen, Abflug bei grauem deutschen Himmel und leichtem Nieselregen. Über den Alpen, die wir bei Innsbruck überfliegen, beginnt sich das Wetter zu bessern. Der Flieger folgt Italiens Ostküste, überquert die Adria und fliegt über Lefkáda die Nordwestküste der Peloponnes an. Eine Viertelstunde später versetzt mich der Anblick des Argolischen Golfs aus der Vogelperspektive in die ultimative Urlaubsstimmung. Nach einem weiten Bogen um Attika landen wir fast pünktlich in Athen, der Koffer kommt ebenfalls an, die Mietwagenreservierung hat einwandfrei geklappt, so dass ich mich genau zur Mittagsstunde mit einem beinahe fabrikneuen, schwarzen Hyundai Atos bei 24°C und strahlendem Sonnenschein auf die vor wenigen Monaten fertiggestellte Athener Ringautobahn einfädele. Die mautpflichtige Autobahn (2 € für die Athen-Umgehung, später noch mal insgesamt 3,20 €) erlaubt ein zügiges Vorankommen, so dass ich nach knapp 1½ Stunden eine erste Rast am Kanal von Korinth einlegen kann. Willkommen Peloponnes!

Der Blick von der Straßenbrücke auf den Kanal ist zwar schon millionenfach photographiert, nichtsdestoweniger immer wieder beeindruckend, wenn man das türkisfarbene Wasser am Grund der schmalen, fast senkrechten Schluchtwände erblickt. Postkartenschön passiert just in diesem Augenblick ein kleineres Frachtschiff den Kanal. Ich erinnere mich an meine Interrail-Tour vor 18 Jahren, wo wir an der winzigen Bahnstation von Isthmus ausstiegen und auf den Wartungssteg unterhalb der Eisenbahnbrücke spazieren konnten. Ob das heute noch möglich ist? Ein kleiner Gang entlang der Schmalspurgleise zeigt bald, dass inzwischen auch in Griechenland mitteleuropäische Sicherheitsnormen sich durchzusetzen beginnen: Alles abgesperrt. Der Anblick mohnrot blühender Wiesen tröstet mich darüber hinweg.

Dann geht die Fahrt weiter Richtung Westen: Zur linken Seite der Autobahn erheben sich schon bald die Berge des Aroánia-Gebirges, zur Rechten nur ein schmaler Landstreifen bis zur Küste, üppig mit Oliven, Zitronen- und Orangenbäumen bewachsen, und auf dem fernen Festland das Bergmassiv des Parnassós. Vor exakt einem Jahr habe ich dort in Itéa am Ufer gesessen, auf die Berge des Peloponnes geschaut und gehofft, ein Jahr später hier zu sein. Nun - hier bin ich!

An einigen kleineren Badeorten vorbei erreiche ich bald die erste geplante Station der Reise: den kleinen Ort Diakoftó, von dem aus ich am nächsten Tag die Fahrt mit der legendären Zahnradbahn nach Kalávrita plane. Als ich am Bahnhof von Diakoftó den Fahrplan studieren will, erlebe ich direkt die erste Enttäuschung (und, wie sich später zeigt, auch die Letzte): Wegen einer kompletten Erneuerung des weit über 100 Jahre alten Gleisbetts ist die Zahnradbahn zurzeit außer Betrieb. Schade. Sehr schade! Der Betriebshof - sonst ölig und dieselgrau - wirkt nach einem Jahr der Ruhe wie gemalt, ein öffentlicher Brunnen dort ist seit Jahrzehnten in einen Baumstamm eingewachsen.

Ich spaziere den mitten durch den Ort verlaufenden, neuverlegten Gleisen entlang bis zum Ortsrand: Die Privatgrundstücke rechts und links der Trasse sind der reine Garten Eden: Grüne Wiesen mit Ziegen und Federvieh, Gärten mit Orangen, Zitronen, Aprikosen und Feigen - dazwischen verbreiten verschwenderisch blühende Rosen ihren betörenden Duft. Passend zu diesem Eindruck hängt ein Kreuz direkt über den Schienen und weist dezent darauf hin, dass es hier auch eine Kirche gibt.

Dann und wann blieb ich stehen und sog mich voll Frühlingsluft. Die Erde roch nach Kamille, und mit jedem Schritt auf die Gärten zu geriet ich in Wogen von Düften: Zitronen, Orangen und Lorbeer blühten.
(Nikos Kazantzakis)

Auch im Ort gibt es mehrere öffentliche Brunnen aus denen frisches und schmackhaftes Nass quillt. Wer hier Wasser kauft ist selber schuld! Ich finde auf Anhieb ein schönes Hotelzimmer (31 €) und begebe mich dann zum Ufer. Die späte Nachmittagssonne taucht den kleinen Hafen in ein bezauberndes Licht, die aufkommende, sehr steife Brise trägt mit dem Donnern der Brandung auf die Uferbefestigung zur akustischen Untermalung bei. Die Uferstraße ist menschenleer, lediglich ein einziges niederländisches Wohnmobil parkt am Ortsrand: Diakoftó ist noch nicht aus seinem Winterschlaf erwacht.

Nach Proviantkauf, einer heißen Dusche und einem kleinen Nickerchen mache ich mich am Abend auf die Suche nach einer Taverne, aber die meisten haben noch geschlossen. Die einzige Taverne, die ich finde, wird immerhin auch von Einheimischen besucht. Ein gutes Zeichen, dass sie nicht hauptsächlich von Touristen lebt (zumindestens nicht in der Vorsaison) ist auch die Tatsache, dass es keine Speisekarte gibt, und der Gast direkt in die Küche gebeten wird, wo er seine Wahl aus acht großen Töpfen treffen kann. Alternativ kann man sich frischen Fisch grillen lassen, aber da ich die Preise hierfür kenne, lasse ich die Finger davon. Kurzentschlossen wähle ich Kohlrouladen in Zitronensoße und ein halbes Hühnchen, das in einer öligen Tomatensoße bis zur Erschöpfung geschmort wurde. Kein kulinarischer Höhepunkt, aber dafür eine absolut authentische Küche - dazu passen zwei Flaschen griechisches Mythos-Bier ausgezeichnet. Da sowohl die Kohlrouladen wie auch das Hähnchen von der Portionsgröße her als Hauptgericht ausgelegt waren, nehme ich den Preis von 14 € wohlwollend in Kauf und beschließe den langen Tag satt und zufrieden mit der obligatorischen Urlaubszigarre auf dem Balkon meines Hotelzimmers. Ein guter Start.

Ich führte Tagebuch und brachte darin jeden Abend die Ernte des Tages ein.
(Nikos Kazantzakis)

Anreise:


Kanal von Korinth:


Entlang der Nordküste:


Diakoftó: