Von der Putzkolonne viel zu früh geweckt, bringen wir unsere Lebensgeister erst mit einem Frühstück im Schein der aufgehenden Sonne in der Bahnhofsgaststätte auf Touren. Anschließend fahren wir die Strecke entlang der Nordküste wieder zurück bis nach Diakofto, einem unbedeutendem Nest, ungefähr auf halber Strecke zwischen Xilokastro und Patras. Der Ort wäre vollkommen unbekannt, wenn nicht ab hier die berühmt-berüchtigte Zahnradbahn abfahren würde, die sich auf 75 Zentimeter Spurweite bis in das 750 Meter hoch gelegene Bergstädtchen Kalavrita quält.
Ein großer Teil der 22 Kilometer langen Strecke verläuft durch die Vouraïkos-Schlucht. Die Art und Weise, wie die Gleise verlegt wurden, fordert mir allerhöchsten Respekt ab. Kaum ein Meter führt über normalen Boden, dafür wechseln sich Brücken, Tunnel, tief zwischen den Felsen eingegrabene Schluchten und in die senkrechten Felswände gesprengte Überhänge einander ab. Eine phantastische Fahrt durch eine grandiose Landschaft. Es ist so beeindruckend, dass ich keinen Augenblick darauf verschwende, die Szenerie auf ein Foto bannen zu wollen - ohnehin ein aussichtsloses Unterfangen. Lediglich die Anwesenheit eines deutschen Kegelclubs, der während der Fahrt lauthals "Oh, wie ist es am Rhein so schön" grölt, schafft es, das Vergnügen der Fahrt etwas zu trüben. Peinlich! Sehr peinlich! Um so mehr auf der Fahrt gerade nach Kalavrita!
In Kalavrita angekommen statten wir der Gedenkstätte des Massakers einen Besuch ab und bummeln danach durch das Städtchen. Eingedenk des furchtbaren Blutbades, das deutsche Soldaten hier vor 43 Jahren anrichteten, fühlen wir uns allerdings nicht so richtig wohl in unserer Haut. Am Nachmittag fahren wir zurück nach Diakofto, steigen dort um und fahren bis Egio, da wir dort auf dem Campingplatz übernachten wollen.
Nachdem wir 1½ Stunden in der Hitze der späten Nachmittagssonne erfolglos versucht haben, einen Campingplatz zu finden, geben wir verschwitzt, erschöpft und frustriert auf und beschließen, mit dem Zug bis Athen zurück zu fahren. Es ist eine sehr schöne Strecke und dort wissen wir wenigstens, wo ein Hotel ist, in dem wir bisher immer untergekommen sind.
Zu den schönsten Bahnlinien der Welt gehört diejenige, die von Patras, am Südufer des Korinthischen
Golfes entlang, über den Isthmus nach Athen führt.
(Gerhart Hauptmann)
Gesagt, getan! So sind wir einige Zeit später zum dritten Mal auf dieser Reise in dem überfüllten, aber bewährten Interrailer-Hotel und besuchen zum Abendessen die in den letzten Wochen ebenfalls schon mehrfach erprobte Taverne.